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Abstimmungen Kanton Bern 24 Wochen: Prescht der Kanton Bern mit der Elternzeit vor?

Bern stimmt über eine SP-Initiative zur Elternzeit ab. Der Kanton würde eine Vorreiterrolle in der Schweiz übernehmen.

Im Gegensatz zu Deutschland, Frankreich oder skandinavischen Ländern gibt es in der Schweiz keine Elternzeit. Prescht nun ausgerechnet der bürgerliche Kanton Bern vor? Die Stimmberechtigten entscheiden am 18. Juni über die Elternzeit-Initiative der SP:

  • Die Initiative verlangt eine 24-wöchige Elternzeit, welche zusätzlich zum nationalen Vater- und Mutterschaftsurlaub bezogen werden kann.
  • Väter und Mütter sollen je sechs zusätzliche Wochen erhalten, die restlichen zwölf Wochen können sie sich frei aufteilen.
  • Die Elternzeit muss bis zum Eintritt in den Kindergarten bezogen werden.

Die Elternzeit sei der Grundstein, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern: «Frauen leisten nach wie vor den Grossteil der Betreuungsarbeit. Können beide nach der Geburt länger daheimbleiben, wird die Arbeit später gerechter aufgeteilt», sagt Seraina Patzen von den Grünen, die sich für die Initiative einsetzt.

Es braucht keine zusätzlichen, staatlich bezahlten Ferien.
Autor: Andrea Gschwend-Pieren SVP

Für Andrea Gschwend-Pieren von der SVP braucht es die Elternzeit nicht. «Man kann nicht den ‹Füfer u ds Weggli ha›. Wenn man Kinder hat, muss man vielleicht das Arbeitspensum reduzieren. Es braucht keine zusätzlichen, staatlich bezahlten Ferien.»

Zudem würden gerade die im Kanton Bern so wichtigen KMU wegen der Elternzeit leiden. «Sechs Monate zusätzliche Abwesenheiten fallen ins Gewicht, diese Fachkräfte fehlen dann wiederum der Wirtschaft.»

Durch die Elternzeit steigen die Steuereinnahmen, der Fachkräftemangel verringert sich.
Autor: Seraina Patzen Grüne

Dies lässt Patzen nicht gelten. Die Elternzeit führe nachweislich dazu, dass gerade bei Frauen die Erwerbsquote steige. «Dadurch steigen die Steuereinnahmen und der Fachkräftemangel verringert sich», so die Grossrätin. Für die Initiative sind neben der SP auch die Grünen, die EVP sowie die Alternativen Linken.

Nationale Familienkommission will 38 Wochen Elternzeit

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Diesen Frühling hat die Diskussion um Elternzeit auf nationaler Ebene wieder Fahrt aufgenommen.

Die Eidgenössische Kommission für Familienfragen (EKFF) will der Diskussion um die umfassende Elternzeit auf nationaler Ebene neuen Schwung verleihen. So schlägt die ausserparlamentarische Kommission vor, dass Mütter und Väter nach Geburt ihres Kindes zusammen 38 Wochen Elternzeit bekommen.

Die Aufteilung der Wochen sei entweder paritätisch, also mit je 19 Wochen für beide Elternteile, oder variabel möglich, schreibt die Kommission in einer Mitteilung. Mütter könnten mit dem neuen Modellvorschlag zwischen 16 und 23 Wochen, Väter zwischen 15 und 22 Wochen beziehen.

Für FDP-Grossrat Christoph Zimmerli vom Gegenkomitee ist die Elternzeit zwar nicht per se der falsche Weg. Aber: «Wenn man eine Lösung in dieser Sache will, braucht es eine Bundeslösung. Die Schweiz ist schliesslich ein einheitlicher Wirtschaftsraum und braucht einheitliche Sozialregeln.»

Kantonsregierung fordert nationale Lösung

Dieser Meinung ist auch die zuständige SP-Regierungsrätin Evi Allemann, welche also die Initiative der eigenen Partei bekämpft. Die Berner Regierung finde zwar die Auswirkungen der Elternzeit auf die Gleichstellung sehr positiv.

Wir wollen bei der Elternzeit keinen kantonalen Flickenteppich.
Autor: Evi Allemann Regierungsrätin SP

Aber: «National haben wir die Möglichkeit, eine einheitliche und nachhaltig finanzierte Lösung für die Elternzeit einzuführen. Wir wollen keinen kantonalen Flickenteppich.» Als Kanton könne man kein für die Unternehmen obligatorisches Versicherungsmodell für die Elternzeit einführen, das könne nur der Bund.

Vater Elterzeit am Tisch
Legende: Die Elternzeit soll bis zum Kindergartenalter bezogen werden können. Keystone/Gaetan Bally

Laut der Berner Regierung würde die kantonale Elternzeit den Kanton jährlich rund 200 Millionen Franken kosten. Für SP-Grossrat David Stampfli ist klar, dass eine Elternzeit so oder so etwas kostet, egal, ob man sie kantonal oder national einführe. Die Befürwortenden verweisen auf Modellrechnungen, wonach die höheren Steuereinnahmen die Mehrausgaben für den Kanton kompensieren würden.

Zweite Vorlage: Schuldenbremse soll angepasst werden

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Als zweite Vorlage wird die Berner Stimmbevölkerung über die Anpassung der Schuldenbremsen befinden müssen. Grundsätzlich dienen diese Instrumente dazu, dass der Kanton keine zusätzlichen Schulden bildet und diese abbauen kann. Diese Instrumente habe sich gemäss den Abstimmungsinformationen des Grossen Rates bewährt.

Für eine Ratsmehrheit habe es aber auch die Investitionen eher gebremst. Damit der Kanton eine attraktive und zukunftsorientierte Infrastruktur aufbauen und erhalten kann, sei eine «moderate» Anpassung der Schuldenbremse nötig. Die wichtigste Änderung soll dem Kanton ermöglichen, Überschüsse aus den Vorjahren für anstehende Investitionen anrechnen zu dürfen.

Der Grosse Rat will mit 117 Ja- zu 24 Nein-Stimmen die Änderung in der Verfassung verankern. Für die Mehrheit ist die bisherige Betrachtung pro Jahr für die Einhaltung der Schuldenbremse zu starr. Finanzierungsüberschüsse sollen für Investitionen verwendet werden können.

SRF1 Regionaljournal Bern Freiburg Wallis, 05.06.2023 ; 

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