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Nach Nein an der Urne Wie weiter mit der Elternzeit für Väter und Mütter?

Die «Elternzeit-Initiative» wurde im Kanton Zürich klar verworfen. Hat das Anliegen auf nationaler Ebene noch Chancen?

Aktuell dürfen Frauen 14 Wochen Mutterschafts- und Männer zwei Wochen Vaterschaftsurlaub beziehen. Die SP-Idee einer Elternzeit im Kanton Zürich hatte einen Betreuungsurlaub von je 18 Wochen für Mütter und Väter nach der Geburt des Kindes gefordert. Mit 64.8 Prozent Nein-Stimmen wurde sie deutlich abgelehnt – einzig die Stadt Zürich hatte knapp zugestimmt. Bedeutet die gescheiterte «Elternzeit-Initiative» nun das Aus für eine Elternzeit in der ganzen Schweiz?

Enttäuschte Väter

Für Martin Fischer war bereits vor der Geburt seines Sohnes klar, dass er eine längere Auszeit nehmen würde. Nach der Geburt seines Kindes vor acht Monaten hat sich der Journalist zusammen mit seiner Partnerin ein halbes Jahr eine Auszeit genommen und dabei tief in die Tasche gegriffen.

«Wir haben mit relativ viel Vorlauf, bevor das Kind gekommen ist, entschieden, zusammen eine Auszeit zu machen.» Sie hätten gewusst, dass sie einfach sparen müssten. «Wir haben gut ein Jahr gespart und konnten noch einen Erbvorbezug beziehen.» So hätten sie ein paar Zehntausend Franken für das halbe Jahr gehabt.

Schweiz hinkt nach im europäischen Vergleich

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Grafik zur bezahlten Elternzeit
Legende: SRF

Im europäischen Vergleich hinkt die Schweiz ihren Nachbarländern deutlich hinterher. Schweden kennt 68 Wochen Elternzeit, Österreich und Deutschland 60 und Finnland 52 Wochen.

Daniel Graf ist Teil der Interessengemeinschaft IG Elternzeit und kämpft für eine nationale Elternzeit. Er selbst hat zwei Buben im Alter von zwölf und acht Jahren. Mit seiner Frau teilt er sich die Kinderbetreuung und Hausarbeit. Das Zürcher Nein zur Initiative sei nicht unerwartet gekommen.

Die Vorzeichen haben nicht gut ausgesehen.
Autor: Daniel Graf Interessengemeinschaft IG Elternzeit

«Die Vorzeichen haben nicht gut ausgesehen.» Es sei eine Initiative gewesen, die von der SP, einer Partei, gestartet wurde. «Die Initiative war nicht breit abgestützt. Bei einer Abstimmung ist es natürlich schwierig, wenn man nicht zeigen kann, dass man Unterstützer aus allen Lagern dabei hat.»

Kantonaler Alleingang wurde zum Verhängnis

Auch der Politologe Michael Hermann schätzt den kantonalen Alleingang und die alleinige Unterstützung durch das rot-grüne Lager für die Initiative als Gründe für ein Scheitern ein.

Zürich sei im doppelten Sinne ein Test gewesen. «Einerseits sieht man, dass so ein sehr grosser Ausbau auch schweizweit nicht mehrheitsfähig ist. Andererseits war es ein Test für weitere Projekte.»

Was nun das Problem sei für die Initianten und die linke Seite: Aufgrund der klaren Abfuhr werde es schwieriger werden, in Zukunft Allianzpartner aus der Mitte zu finden, um auch ein abgespecktes Projekt zur Abstimmung zu bringen.

Erleichterte Gegner

Nach dem Nein in Zürich fühlen sich die Gegner der Elternzeit hingegen bestätigt: Die Wirtschaft könne sich ein solches Modell nicht leisten. Allein im Kanton Zürich würden durch die Elternzeit jährlich direkte Kosten von über 423 Millionen Franken entstehen.

Der Vizedirektor des Schweizerischen Gewerbeverbands, Kurt Gfeller, zeigt sich denn auch sehr erfreut über das Ergebnis – die Deutlichkeit sei ein ganz klares Signal für die Schweizer Politik.

«Befürworter der Elternzeit waren sich bis jetzt nicht einig, welche Vorlage sie wollen. Ich denke, das Zürcher Ergebnis wird ein ganz klarer Dämpfer sein für sie und wird sie hoffentlich davon abhalten, eine Initiative auf nationaler Ebene zu lancieren.»

Vom schlechten Resultat lassen sich Daniel Graf und seine Mitstreiter jedoch nicht abschrecken. Graf ist zuversichtlich, dass innerhalb eines Jahres eine nationale «Elternzeit-Initiative» lanciert werden könne.

10vor10, 16.05.22, 21:50 Uhr

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