Die Zahl, an der der Bundesrat und die Mehrheit des Parlaments die Schweiz in den kommenden 26 Jahre messen will, kommt aus Ittigen bei Bern. Dort wacht Regine Röthlisberger vom Bundesamt für Umwelt (Bafu) über die Treibhausgasstatistik der Schweiz.
Eine berechnete Zahl
Die Zahl, die bis 2050 auf null sinken soll, lag 2021 bei 45 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalente. Das hat Röthlisberger mit ihrem Team nach Vorgaben der zuständigen UNO-Organisation für Klimaveränderungen errechnet. Die Zahl sei berechnet worden, «weil wir die Emissionen der Schweiz als Ganzes nicht messen können», erklärt Röthlisberger.
Wollte man sie messen, müsste man an jedem Auspuff, an jedem Industriekamin und sogar an jeder Kuh ein Messgerät ansetzen. Bei ein paar wenigen Zementwerken in der Schweiz sei das noch möglich. Müsste aber der Ausstoss jedes Energieverbrauchers gemessen werden, stosse man an eine Grenze.
Das Bafu nimmt deshalb den durchschnittlichen Ausstoss, zum Beispiel von einem Auto oder einer Kuh, und rechnet ihn hoch.
Zu Hilfe komme ihrem Team dabei, dass die Schweiz fossile Energieträger wie Öl vollständig importiere. An der Grenze könne so einfach die Menge erfasst werden. Schwieriger wird es bei Treibhausgas, das nicht direkt auf Energieimporte zurückgeht. Zum Beispiel der Klimaeffekt einer alten Mülldeponie sei deutlich anspruchsvoller zu berechnen.
Drei Bereiche, unterschiedliche Ziele
Am meisten Treibhausgase einsparen könnte man laut Bafu beim Verkehr. Dieser ist verantwortlich für einen Drittel des Ausstosses. Mit je einem Viertel folgen die Sektoren Gebäude und Industrie. Bei Annahme des Gesetzes soll der Ausstoss bis 2040 um über 80 Prozent sinken, in der Industrie um 50 und beim Verkehr um fast 60 Prozent.
Gesetzte Ziele sind aber nur das eine. Bei der letzten grösseren Zwischenetappe 2020 hatte lediglich der Industriesektor die gesteckten Ziele erreicht.
Kritik an der Messung
Die Treibhausgasstatistik des Bafu bleibt im Bundeshaus nicht unkommentiert. Die SVP argumentiert, die Zuwanderung gehe dabei vergessen. «Wenn die Bevölkerung wächst, dann muss das in Bezug auf den CO₂-Ausstoss berücksichtigt werden», sagt Nationalrat Mike Egger (SVP/SG).
Die richtige Bemessung müsse pro Kopf sein. Würde die Zuwanderung berücksichtigt, hätte die Schweiz ihren Ausstoss seit 1990 nicht nur um 18, sondern um 37 Prozent reduziert, so Egger.
Befürworter und Befürworterinnen halten dagegen: Sinke der CO₂-Ausstoss bis 2050 wie gefordert auf null, dann spiele auch keine Rolle mehr, auf wie viele Köpfe sich die Null verteile.
Grünen-Präsident Balthasar Glättli kritisiert vielmehr, dass gewisse Emissionen statistisch gar nicht erfasst werden – zum Beispiel jene von importierten Gütern und Dienstleistungen: «Das ist ein riesiges Problem, dass wir ganz viele graue Emissionen haben, die wir importieren», sagt Glättli. Betrachte man auch alle diese Emissionen, steige der CO₂-Ausstoss der Schweiz auf mehr als das Doppelte.
Die Ziele, die sich die Stimmberechtigten am 18. Juni womöglich setzen, sind aber nur eine Seite. Laut Bafu hat 2020 nur der Sektor Industrie die gesteckten Ziele auch erreicht. So wird auch künftig in Ittigen (BE) genau gerechnet werden, ob die Schweiz ihre selbst gesteckten Ziele erreicht.