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Autokorrektur in Zeiten von KI Müssen wir in Zukunft noch Rechtschreibung lernen?

Die Autokorrektur wurde in den 90er-Jahren erfunden. KI-Sprachmodelle sind zudem in der Lage, ganze Sätze und Textpassagen zu analysieren, zu korrigieren und umzuformulieren. Rechtschreibkompetenz brauche es trotzdem weiterhin.

Rechtschreibung zu lernen war gestern, könnte man angesichts des Booms bei der künstlichen Intelligenz meinen. Nein, sagt Afra Sturm, Co-Leiterin des Zentrums «Lesen» der Pädagogischen Hochschule Nordwestschweiz.

Rechtschreibung sei eine Grundkompetenz und ermögliche einen Automatismus beim Schreiben. Über alles, was beim Schreiben automatisiert sei, müsse man nicht nachdenken. So bleibe der Kopf frei für die eigentliche Aufgabe: Das Verfassen eines Textes, um etwas mitzuteilen.

Autokorrektur entlastet uns beim Schreiben

Aber ist nicht exakt Automatisierung das, was Autokorrektur und KI-Sprachmodelle bestens beherrschen? Genau deswegen solle man die Werkzeuge auch nutzen, sagt Afra Sturm. Sie entlasten uns beim Schreiben und im Kopf stünden dadurch sämtliche Ressourcen zur Verfügung, um sich auf das zu konzentrieren, was man mitteilen möchte.

Ein korrigierter Text in Copilot.
Legende: Die KI schafft es in sekundenschnelle einen wirren Absatz in einwandfreies Deutsch zu verwandeln. Reto Widmer / SRF

Dennoch sei eigene Rechtschreibkompetenz nicht hinfällig. Wissenschaftliche Forschung habe nämlich gezeigt, dass Autokorrektur vor allem für jene Vorteile bringe, die selber Orthografie beherrschten. Personen, die Rechtschreibung nur wenig oder gar nicht können, haben Schwierigkeiten, Autokorrektur richtig einzusetzen, weil sie nicht entscheiden können, ob Korrekturvorschläge Sinn ergeben – oder nicht.

Verantwortung am Text können wir nicht abgeben

Natürlich könnten hier ChatGPT und andere Sprachmodelle in die Bresche springen, weil die Werkzeuge fähig sind, komplette Texte fehlerfrei selber zu schreiben. Dennoch bleibe schlussendlich die Verantwortung für den Text bei der Person, die ihn geschrieben hat. «Ich muss am Schluss immer prüfen können, ob das der Text ist, den ich verantworten kann – oder nicht», gibt Afra Sturm zu bedenken: «Spätestens dann benötige ich Rechtschreibkompetenz».

Diese Erkenntnis, dass sie nicht darum herumkommen werden, Rechtschreibung zu büffeln, mag für angehende Schülerinnen und Schüler frustrierend sein. Also: Rechtschreibung wird bleiben, keine Frage. Aber vielleicht nicht mehr in dem Ausmass, wie wir es heute kennen.

Lehrplan muss sich anpassen

Die Kompetenzen könnten sich verschieben, denkt Afra Sturm. Es könne gut sein, dass Rechtschreibung nicht mehr im selben Ausmass mit allen Feinheiten vermittelt werden müsse in den Schulen wie bis anhin: das «h» hinter dem «t» von «Orthografie» zu ergänzen etwa. Dass man das Wort mit «th» schreibe, gehöre bereits heute nicht zur Rechtschreib-Grundkompetenz.

Ein verzweifelter Junge mit einer Denkblase, in der Ort(h)ografie drin steht.
Legende: Rechtschreibung bleibt eine wichtige Grundkompetenz – KI kann im Zweifelsfall bei der Erstellung orthografisch korrekter Texte unterstützen. KI-Bild: Microsoft Copilot/SRF

In diese Richtung könne sich auch der Lehrplan in Zukunft ändern, dass die Schülerinnen und Schüler bei der Orthografie nicht mehr alles gleich gut beherrschen müssten. Aber ihnen müssen orthografische Regeln dennoch in einem gewissen Ausmass geläufig sein, damit ihre Texte einigermassen korrekt sind.

Radio SRF 1, Treffpunkt, 28.7.2025 10:30 Uhr

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