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40 Jahre alter Cold Case Sarah Oberson – Symbol für ein dunkles Jahrzehnt des Verbrechens

Vor 40 Jahren ist im Kanton Wallis die fünfjährige Sarah Oberson verschwunden. Der Fall ist noch immer ungelöst. Er steht für eine dunkle Periode der Schweizer Kriminalgeschichte, mit einer ungewöhnlichen Häufung von Verbrechen gegen Kinder.

Am 28. September 1985 verschwindet im Walliser Dorf Saxon Sarah Oberson, ein fünfjähriges Mädchen, als es auf dem Pausenhof Velo fährt. Sein unerklärliches Verschwinden löste eine der grössten Kriminaluntersuchungen aus, die es in der Schweiz je gegeben hat. Kantonspolizei, Armee und zahlreiche Freiwillige wurden mobilisiert.

Etwa 200'000 Plakate und Aufkleber wurden im ganzen Land verteilt und sogar im Ausland. Das Dorf Saxon wurde minutiös durchsucht, jedes Haus inspiziert und alle Bewohner und Bewohnerinnen befragt.

Die Suchaktion weitete sich rasch auf die ganze Region aus. Gewässer, Wälder und Wanderwege wurden durchkämmt. Trotz der intensiven Suche fand man keine Spur von Sarah. Nach mehreren ergebnislosen Tagen gingen die Ermittler davon aus, dass es sich um ein Verbrechen handelt.

Spur verläuft im Nichts

Aus ganz Europa trafen Meldungen ein über vermeintliche Spuren, was die Ermittler nach Italien, Deutschland, Frankreich und Ungarn führte. Die vielversprechendste Spur kam aus Österreich, wo eine Frau behauptete, Sarah mit einem Paar in einem weissen Mercedes gesehen zu haben. Trotz eingehender Untersuchungen führte diese Spur zu nichts.

Das ist eines der Fotos von Sarah Oberson, die für die Suchaktion im ganzen Land verteilt wurden.
Legende: Das ist eines der Fotos von Sarah Oberson, die für die Suchaktion im ganzen Land verteilt wurden. Keystone/Str

Auch lokale Verdächtige nahmen die Ermittler ins Visier. So zum Beispiel den Hauswart der Schule. In seinem Zeitplan vom Tag des Verschwindens gab es Ungereimtheiten, und Zeugen sagten aus, sie hätten ihn kurz vor dem Verschwinden im Gespräch mit Sarah gesehen. Doch es konnten keine Beweise für eine Anklage gefunden werden.

So ist der Fall auch heute noch ungelöst. Obwohl er verjährt ist, wird er nicht zu den Akten gelegt. Das Dossier umfasst inzwischen etwa dreissig Bundesordner. Noch immer prüfen die Walliser Ermittler neue Meldungen, in der Hoffnung, das Rätsel doch noch zu lösen.

Dunkles Jahrzehnt

Das Verschwinden von Sarah Oberson fällt in ein schwarzes Jahrzehnt. Die 1980er-Jahre waren von einer Serie von Kindesentführungen und -morden in der Schweiz geprägt. In zehn Jahren verschwanden fast 20 Kinder, einige wurden tot aufgefunden, andere nie.

Zwei pädophile Serienmörder trieben zu jener Zeit gleichzeitig ihr Unwesen: Werner Ferrari und Michel Peiry. Letzterer wurde als «Sadist von Romont» bekannt. Dieses Zusammentreffen zweier Schwerstverbrecher, die parallel agierten, war in den schweizerischen Kriminalannalen beispiellos.

Die damaligen Polizeikräfte verfügten nicht über die heutigen technologischen Mittel: keine DNA-Analysen, keine Mobiltelefone zur Ortung, begrenzte Möglichkeiten zur interkantonalen und internationalen Zusammenarbeit. Zentralisierte Dateien und ein tiefgreifendes Verständnis krimineller Phänomene existierten noch nicht.

Diese dunkle Periode der schweizerischen Kriminalgeschichte hat das Land tief geprägt und zu einem kollektiven Bewusstsein für die Notwendigkeit eines besseren Kinderschutzes geführt. Sie hat auch die Grenzen der damaligen Ermittlungsmethoden aufgezeigt und zur Weiterentwicklung polizeilicher Praktiken beigetragen.

Heute ist die Schweiz besser gerüstet, um mit dieser Art von Kriminalität umzugehen und im Fall eines verschwundenen Kindes schnell zu reagieren – auch wenn das Risiko nicht null beträgt.

RTS, Temps présent, 18.9.2025, 20:10 Uhr;liea

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