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Abkommen gegen Landminen Aktivist kämpft gegen den Zerfall des Anti-Minen-Abkommens

Mehrere osteuropäische Länder haben angekündigt, aus dem internationalen Abkommen gegen Personenminen auszutreten. Tun Channareth aus Kambodscha wehrt sich mit aller Kraft dagegen. Vor 43 Jahren ist er selber Opfer einer Mine geworden.

«Lieben Sie den Frieden? Ja oder nein?» Tun Channareths Aufruf hallt wie ein Schuss durch das internationale Konferenzzentrum in Genf. Der 65-jährige kambodschanische Aktivist führt seit mehr als drei Jahrzehnten einen unermüdlichen Kampf gegen Antipersonenminen – diese schrecklichen Waffen, die keinen Unterschied machen zwischen Soldaten, Kindern, Freund oder Feind.

«Ja!», antworten Dutzende Diplomatinnen und Diplomaten einstimmig. Sie nehmen alle an einem Treffen der Vertragsstaaten der Ottawa-Konvention teil, das Mitte Juni in Genf stattfand. Es folgt ein langer Applaus.

Tun Channareth in seinem Rollstuhl vor dem Uno-Gebäude in Genf.
Legende: Seit er vor 43 Jahren selbst Opfer einer Landmine geworden ist und dabei beide Beine verloren hat, kämpft Tun Channareth aus Kambodscha für ein globales Minenverbot. SWI swissinfo.ch / Rachel Barbara Häubi

Channareth verlor 1982 im Alter von 22 Jahren beide Beine, als er an der Grenze zwischen Kambodscha und Thailand auf eine Mine aus russischer Produktion trat. Damals war er ein junger Soldat in der vietnamesischen Armee, die in seinem Heimatland gegen die Roten Khmer kämpfte.

«Bringen Sie mich 2025 nicht wieder zum Weinen!»

Für das Treffen zum Ottawa-Übereinkommen ist er aus Phnom Penh angereist. Das Abkommen verbietet den Einsatz, die Herstellung und die Weitergabe von Antipersonenminen. Für diesen Vertrag hatte er gekämpft. Er war bei dessen Entstehung 1997 dabei.

Doch nun drohen einige Länder, auszusteigen. Estland, Lettland, Litauen, Polen und Finnland – allesamt Nachbarn Russlands oder Weissrusslands – haben in den letzten Monaten ihre Absicht bekundet, den Vertrag zu verlassen. Die russische Aggression in der Ukraine hat sie dazu veranlasst, wieder aufzurüsten.

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«Ich hätte mir nie vorstellen können, dass Länder aus dem Vertrag aussteigen», sagt Channareth sichtlich verbittert. Er will alles tun, um das zu verhindern.

Nach seiner Rede im Genfer Konferenzsaal bewegt er sich auf seinem Rollstuhl von einer Diplomatin zum nächsten Diplomaten. Er übergibt ihnen eine Karte und sagt: «Bringen Sie mich 2025 nicht wieder zum Weinen! Verlassen Sie nicht das Übereinkommen über das Verbot von Antipersonenminen.»

Vom Abgrund zum Nobelpreis

Nach dem Minenunfall im Jahr 1982 machte Channareth eine sehr schwere Zeit durch. «Ich hatte keine Lust mehr zu leben», erinnert er sich. Beide Beine mussten ihm amputiert werden. Während er im Spitalbett lag, erwartete seine Frau ihr erstes Kind.

1993 kam die Wende. Er schloss sich in Phnom Penh dem Jesuit Refugee Service an, einer amerikanischen NGO, und entwarf dort Rollstühle für Opfer von Landminen.

Kambodscha ist eines der Länder, die am stärksten von diesen Sprengkörpern verseucht sind. Seit den 1970er-Jahren wurden mehr als 65’000 Opfer gezählt, rund 20’000 von ihnen wurden getötet.

Channareth erhielt von seinen Chefs den Auftrag, eine Kampagne gegen Landminen zu lancieren. In weniger als einem Jahr sammelte er gemeinsam mit anderen Überlebenden über eine Million Unterschriften für ein Verbot. Er schloss sich der internationalen Kampagne für das Verbot von Antipersonenminen an. 1997 wurde diese mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Heute haben 165 von 193 Uno-Mitgliedstaaten die Konvention unterzeichnet. Nicht getan haben das unter anderem China, die USA und Russland.

«Diese Kampagne wird bis zu meinem letzten Tag andauern», betont Channareth. Sein Argument ist so einfach wie eindringlich: «Ich möchte ihnen meine Wunden zeigen und sie fragen: Wollt ihr, dass Eure Landsleute, Eure Kinder, so aussehen wie ich?»

Echo der Zeit, 19.6.2025, 18 Uhr; wilh

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