Für die Art, wie er mit den neuen Abkommen zwischen der Schweiz und der Europäischen Union (EU) umgeht, muss der Bundesrat derzeit viel Kritik einstecken.
Nur wenige Parlamentarier haben bisher die Erlaubnis erhalten, diese noch geheimen Abkommen einzusehen. Vor allem aber will die Regierung bei einer Volksabstimmung auf das doppelte Mehr von Volk und Ständen verzichten.
Diese Entscheidungen haben im Parlament zu heftigen Spannungen geführt und lassen ein Scheitern der Abkommen an der Urne befürchten. Diese werden zunächst im Parlament behandelt und dann in mehreren Etappen dem Stimmvolk vorgelegt.
Trotzdem zeigt sich der Botschafter der EU in der Schweiz, Petros Mavromichalis, zuversichtlich und versichert, dass die EU Geduld zeigen wird.
Das ganze Interview mit dem EU-Botschafter (mit dt. Untertiteln)
«Wir sind uns natürlich bewusst, dass am Ende in der Schweiz immer das Volk entscheidet. Also warten wir ab, bis dieses Referendum stattfindet, und hoffen auf einen positiven Ausgang», sagt er gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). «Wir haben selbst komplexe verfassungsmässige Verfahren, daher respektieren wir voll und ganz die unseres Partners, der Schweiz.»
«Win-win»-Abkommen
Mavromichalis ist überzeugt, dass diese Abkommen zwischen der Schweiz und der EU «im Interesse beider Parteien sind». «Ich habe an einigen der Verhandlungen teilgenommen. Daher bestärkt mich alles, was ich darüber weiss, in meinem Gefühl, dass es sich um ‹Win-win›-Abkommen handelt», betont er.
Eines der Abkommen betrifft die Stromversorgung. Deren Bedeutung ist letzte Woche mit dem Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel unterstrichen worden. Mit diesem Abkommen werde die Schweiz besser geschützt sein, versichert der EU-Botschafter.
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«Man muss wissen, dass die Schweiz schon heute aus historischen Gründen stärker mit dem europäischen Netz verbunden ist als Spanien und Portugal», erklärt er. «Aber es ist klar, dass mit einem Abkommen die Verbindung stärker und die Solidarität grösser, sogar automatisch sein werden.»
Diese Solidarität müsse jedoch in beide Richtungen gehen, präzisiert Mavromichalis. «Die Nachbarn werden der Schweiz immer helfen. Die Europäische Union wird im Problemfall da sein. Aber wir erwarten natürlich eine Gegenleistung.»
«Europa war noch nie so unerlässlich»
Diese gegenseitige Solidarität sei im aktuellen geopolitischen Kontext umso wichtiger. Angesichts der neuen Weltordnung, die von Wladimir Putin und Donald Trump aufgezwungen werde, habe die EU eine wichtige Rolle zu spielen, meint Mavromichalis.
«Europa war noch nie so unerlässlich wie heute angesichts der Gefahren, die uns bedrohen, und der herrschenden Instabilität», betont er. «Unsere Nationen müssen zusammenhalten, zusammenbleiben und mit einer Stimme sprechen, wenn wir auf globaler Ebene noch Einfluss auf den Lauf der Dinge nehmen wollen.»
Und die Schweiz bildet nach Ansicht des EU-Botschafters keine Ausnahme. «Man kann sich noch so sehr fernhalten wollen, die Probleme holen einen ein, auch wenn man sie nicht sucht», sagt er. «Man kann nicht den Kopf in den Sand stecken und Vogel-Strauss-Politik betreiben.»