Seit der Niederlage von Kamala Harris bei der Präsidentschaftswahl in den USA vor einem Jahr hat die demokratische Opposition Schwierigkeiten, eine klare Strategie zu entwickeln – zumal der Präsident ausserhalb der üblichen Regeln agiert und die gesamte mediale Aufmerksamkeit auf sich zieht.
Während Trump das Land polarisiert, verlieren die Demokraten weiter an Rückhalt und werden als weniger vertrauenswürdig wahrgenommen.
In einem Interview gab der Parteichef der Demokraten, Ken Martin, zu, dass die Partei ein Problem habe mit ihrem Auftritt, ihrer Botschaft und den Personen, die diese vermitteln.
Seiner Meinung nach sehen viele Amerikaner und Amerikanerinnen die Republikaner als Partei der einfachen Leute und der Armen, während die Demokraten eher als Partei der Reichen und der Elite gelten.
Optimistisch für die Wahlen
Diese Diagnose versetzt John Kerry jedoch nicht in Panik. Bei einem Besuch in Genf erklärte der ehemalige Aussenminister von Barack Obama, dass diese Situation durchaus normal sei.
«Die Natur unseres politischen Systems macht es unmöglich, schon nach acht Monaten eine Alternative oder eine starke Gegenstimme zu finden», sagte er gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen (RTS). «Die Welt wird sehen, dass es in der Partei Talent gibt.»
Im kommenden Jahr werde es Zwischenwahlen geben. «Sie werden sehen, dass es eine Mobilisierung geben wird», prognostizierte Kerry. «Es ist sehr gut möglich, dass die Demokraten diese Wahlen gewinnen werden. Deshalb denke ich, dass sich unsere Demokratie in den kommenden Monaten als widerstandsfähiger erweisen wird, als es sich die Leute vorstellen.»
Trump agiert «anti-amerikanisch»
Gleichzeitig zeigte sich Kerry besorgt über die autoritäre Entwicklung unter Trump. Er betonte: «Was da passiert, ist sehr gefährlich, es ist anti-amerikanisch. So handeln die Vereinigten Staaten nicht.»
«Wir erlauben eine grosse Bandbreite an öffentlicher Kritik. Aber wir klagen keine Menschen an, nur weil sie uns kritisieren oder weil wir sie nicht mögen», ergänzte der Demokrat. «Das widerspricht unserer Tradition, und ich denke, das wird die Verantwortlichen teuer zu stehen kommen.»
John Kerry im Gespräch mit RTS:
Besonders kritisierte er den Obersten Gerichtshof. Diesen sieht er weit entfernt von der grossen Tradition dieser Institution, die eigentlich unparteiisch und auf der Grundlage des Rechts urteilen sollte.
«In den vergangenen Monaten sind viele Dinge geschehen, die der Verfassung widersprechen», betonte Kerry. Als Beispiele nannte er die Einführung von Zöllen oder den Einsatz des Militärs in mehreren demokratisch regierten Städten.
Es bestehe die Gefahr, dass hier «eine rote Linie» überschritten werde und dass «das Ganze schief gehe». Trotzdem zeigte sich Kerry optimistisch: «Aber ich zähle auf das wahre Amerika. Wir sind besser als das.»