Seit vier Monaten pflügt Donald Trump die USA um. Kein Tag vergeht ohne Schlagzeilen aus dem Weissen Haus. Von der politischen Opposition ist dagegen kaum etwas zu vernehmen: Die Demokraten scheinen nach der Niederlage bei den Präsidentschaftswahlen wie gelähmt.
Dazu kommen unrühmliche Enthüllungen im Buch «Hybris». Darin zeichnen namhafte US-Journalisten nach, wie Joe Bidens innerster Zirkel versuchte, dessen zunehmend besorgniserregenden Gesundheitszustand geheim zu halten.
«Wie ein Reh im Scheinwerferlicht» beschreibt die «New York Times» den Zustand der Demokraten: «Du siehst, wie das Auto immer näherkommt. Trotzdem bleibst du stehen und wirst überfahren.» Die Diagnose: Trumps Wahlsieg sei eine politische wie kulturelle Zurückweisung gewesen, auf die die Partei noch immer keine Antwort habe.
Biden wird zur Bürde
Laura von Daniels ist US-Expertin bei der Stiftung Wissenschaft und Politik. Im «Tagesgespräch» erzählt sie, wie sich die Tristesse auch bei der Parteibasis bemerkbar macht. «Die Anhänger der Demokraten wirken niederschlagen und deprimiert. Aufbruchstimmung oder Kampfgeist vernimmt man kaum.»
Führungsschwach, irrlichternd, gespalten: «Die Demokraten können Trump bislang nichts entgegensetzen», schätzt die Politologin. «Mitunter sind sie sogar fasziniert davon, mit welcher Gewalt er seine Interessen durchsetzt.»
Laut NBC News sind die Zustimmungswerte der Demokraten auf 27 Prozent gesunken. Ein absoluter Tiefstand in der Umfrage, die seit 1990 erhoben wird. Dies sei auch dem Vertrauensverlust geschuldet, den die Parteiführung durch ihr Festhalten an Biden erlitten habe, schätzt von Daniels.
Das Partei-Establishment habe nach der Causa Biden ein massives Glaubwürdigkeitsproblem, sagt die USA-Expertin. «Die Demokraten brauchen jetzt einen richtigen Generationenwechsel: Leute, die nicht mit der Führungsriege um Biden verbunden waren.» Auch die Obamas und Clintons hätten viel Vertrauen verspielt, indem sie so lange an Biden festgehalten hätten. «Diese grauen Eminenzen verlieren nun an Einfluss.»
Bei den Zwischenwahlen im kommenden Jahr werden die Demokraten Gelegenheit erhalten, ihre Wiedergeburt einzuleiten. Dann nämlich können sie den Republikanern die Mehrheiten im US-Kongress entreissen. Die Flügelkämpfe sind lanciert: Soll die Partei versuchen, möglichst breite Teile der US-Gesellschaft anzusprechen – oder den Aufstand von links proben?
«Kampf den Oligarchen»
«Fight Oligarchy!»: Gemeinsam mit Nachwuchshoffnung Alexandria Ocasio-Cortez tourt die linke Kultfigur Bernie Sanders durchs Land. An der Basis findet die populistische Revolte Gehör: Zehntausende Menschen pilgern an die Auftritte des ungleichen Duos.
Ein Gegenentwurf anderer Parteiströmungen ist derzeit nicht ersichtlich. Nationale Strahlkraft haben aber auch Figuren wie der kalifornische Gouverneur Gavin Newsom oder seine Amtskollegin aus Michigan, Gretchen Whitmer.
Letztlich sind die Demokraten im Dilemma: Ein links-progressiver Kurs mag zwar für volle Arenen sorgen, der Zeitgeist in den USA weht aber rechts. Auch in Wirtschaftsfragen haben es allzu linke Rezepte in den USA traditionell schwer.
Von Daniels bezweifelt denn auch, dass der linke Populismus ähnlich erfolgreich sein kann wie Trumps rechtskonservativer Populismus. Dieser erreicht in den USA breite Wählerschichten – auch in einstigen Stammlanden der Demokraten.