Es ist kein Schild zu sehen, nur die Hausnummer. Ein Block aus Beton und Metall, fast ohne Fenster, mit Zäunen und Überwachungskameras. Ein stummer Riese, wäre da nicht das Brummen der Kühlventilatoren oder der Kraftwerke in unmittelbarer Nähe, das rund um die Uhr zu hören ist.
Hier, im Norden des US-Bundesstaats Virginia, sind viele solcher Riesen anzutreffen. Die Gegend ist zu einer Art «Welthauptstadt der Rechenzentren» geworden – moderne Fabriken, die das speichern und produzieren, was die Welt bewegt: Daten.
So sieht es bei der «Data Center Alley» von Virginia aus:
Die Bezirke Fairfax und Loudoun sind nur durch den Fluss Potomac von der Hauptstadt Washington getrennt. Es ist die bevölkerungsreichste Gegend von Virginia. Begünstigt durch die Nähe zu Regierungseinrichtungen (wie dem Pentagon) und die Präsenz des ersten Internetproviders der USA (AOL) entstand im Laufe der Zeit eine anonyme Lagerhalle nach der anderen, in denen digitale Daten verarbeitet werden.
In den letzten zehn Jahren war das Wachstum schwindelerregend. Die vierspurige Strasse, die Sterling und Ashburn trennt, wurde in «Data Center Alley» umbenannt. Allein in den beiden Gemeinden gibt es über 260 Rechenzentren, im ganzen Bundesstaat sind es 668. 150 davon sind solche der neuesten Generation, riesige «Hyperscale Data Centers», mit denen die Nachfrage nach künstlicher Intelligenz bewältigt wird.
30 Prozent teurerer Strom
Für die Bevölkerung der Region bedeuten die Rechenzentren einiges an Unannehmlichkeiten. Verlorene Grünflächen, Lärm und ständige Baustellen. Vor allem aber bereitet der Anstieg der Stromrechnungen Sorgen. «Wir müssen mit einer Branche konkurrieren, die nie dagewesene Mengen an Wasser und Energie benötigt», kritisiert Elena Schlossberg.
Sie hat einen Bürgerverein gegründet, um ihren Bezirk vor der Expansion dieser unbequemen Nachbarn zu schützen. «So werden Ressourcen wie Energie, die einst für alle zu erschwinglichen Preisen zugänglich waren, von wenigen riesigen Kunden aufgesogen», betont sie.
Den durch den Boom der künstlichen Intelligenz verursachten Energieverbrauch sieht auch Mark MacCarthy kritisch. Er lehrt an der Georgetown University und ist Experte für das Brookings Institute. «Zu Beginn schien es für die Staaten und Gemeinden vor allem eine Frage der wirtschaftlichen Entwicklung und positiv für die Gemeinschaften zu sein», analysiert er. «Aber man hat die Auswirkungen auf den durchschnittlichen Steuerzahler nicht berücksichtigt.»
Der Bedarf dieser Rechenzentren für künstliche Intelligenz sei tausendmal höher als in der jüngsten Vergangenheit, ergänzt MacCarthy. Einige von ihnen verbrauchten so viel Energie wie eine ganze Stadt.
Der Vorteil der gewaltigen Investitionen ist leicht zu erahnen. Die Steuereinnahmen im Bundesstaat Virginia übersteigen eine Milliarde Dollar, ganz zu schweigen von den wirtschaftlichen Nebeneffekten und den Geschäften, die Grundstückseigentümer abschliessen können.
Im südlichsten Bezirk Prince William haben sich Anwohner und Landwirte zusammengeschlossen, um ihre Grundstücke zu vorteilhafteren Preisen zu verkaufen, und der Markt hat positiv darauf reagiert. Schon bald könnte das Gebiet zur Konkurrenz werden für die «Data Center Alley» im Norden.