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Forschung Gehirn-Synchronisation: ein neues Rätsel der Neurowissenschaften

Forschende beobachten eine Synchronisation der Hirnaktivität zwischen zwei Personen. Gesten, Blicke und Berührungen spielen dabei offenbar eine wichtige Rolle.

Das Gehirn ist in der Lage, sich mit äusseren Signalen zu synchronisieren, etwa einem Klangrhythmus. Mithilfe eines Elektroenzephalogramms haben Forschende festgestellt, dass sich die neuronale Aktivität verändern kann, um sich dem Rhythmus eines Stimulus anzupassen.

Neue Studien deuten darauf hin, dass dies auch zwischen zwei Personen funktioniert: Wenn sie miteinander interagieren, kann sich ihre Hirnaktivität synchronisieren. Um diesem Phänomen auf den Grund zu gehen, untersuchen Forschende zwei Personen gleichzeitig, während sie die gleiche Aufgabe ausführen. Ziel ist es, zu beobachten, ob und wie sich die Gehirne tatsächlich aufeinander abstimmen.

«Eine wichtige Frage in der Neurowissenschaft ist, wie Informationen in realistischen Situationen an eine Person übermittelt werden. Im Labor haben wir sehr stereotype, sehr kontrollierte Phänomene. Aber das ist nicht repräsentativ für die Art und Weise, wie wir im Alltag lernen», erklärt Micah Murray, Professor für Neurowissenschaften am Universitätsspital Waadt, gegenüber dem Westschweizer Radio und Fernsehen RTS.

Ein Auszug aus «CQFD» mit deutschen Untertiteln:

Obwohl die Forschenden beobachten konnten, wie sich Gehirne gemeinsam aktivieren, verstehen sie die dahinterstehenden Mechanismen noch nicht vollständig. «Wir wissen nicht, ob wir uns tatsächlich mittels zwischenmenschlicher Kommunikation synchronisieren, oder ob es dank eines ‹Dirigenten›, eines gemeinsamen Stimulus für beide Personen, geschieht», erläutert Murray.

«Der Stimulus kann etwa der Herzschlag sein oder eine Augenbewegung. Im Moment wissen wir es nicht genau. Wenn wir jedoch die Kommunikation stören oder unterbrechen, messen wir eine Veränderung, die durch diese Störung verursacht wird.»

Direkte Kommunikation?

Normalerweise, wenn zwei oder mehr Personen den gleichen Stimulus in derselben Umgebung sähen oder hörten, zum Beispiel einen Dirigentenstab, um ein Orchester zu koordinieren, stimmten sich alle auf diese Geste ab, führt Murray weiter aus.

«Jetzt können wir uns die Frage stellen, ob es eine direkte Kommunikation zwischen Gehirnen gibt, und wenn ja, welches Signal da gegeben wird. Wir müssen die Zweideutigkeit zwischen diesen beiden Möglichkeiten auflösen. Ist es der Dirigent, der die gesamte Kommunikation macht, oder kommunizieren die beiden Musizierenden direkt miteinander?»

Das würde bedeuten, dass jemand, der die Stimuli einer gemeinsamen Umgebung mit einer anderen Person nicht wahrnimmt, deren Reaktionen nutzen könnte, um sich an ihr Gehirn anzupassen.

Bedeutung der Berührung

Können manche Menschen stärker synchronisiert sein als andere, abhängig von ihrer Verbindung, ihrem emotionalen Zustand? «Wir haben noch nicht genug Daten, um das zu sagen, aber ich vermute, dass es so ist», sagt Micah Murray.

Er präzisiert: «Tänzer oder Athletinnen sind zum Beispiel sehr synchronisiert, weil sie eine hohe Sensibilität für die Dinge in ihrer Umgebung haben. Und umgekehrt sehen wir, dass Menschen, die weniger Sensibilität haben, weniger Synchronisation mit anderen aufweisen.»

Eine Studie mit Müttern und ihren Säuglingen zeigt: Je mehr Interaktionen stattfanden, desto mehr synchronisierten sich die Gehirne von Mutter und Kind. «Das zeigt, dass es möglich ist, Berührungen zu nutzen, um diese Synchronisation zu erleichtern», analysiert Murray.

RTS CQFD, 30.4.2025, 10:08 Uhr; sten

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