«Kostendämpfungspaket 2». Der Titel des Massnahmenbündels, über welches das Parlament im März 2025 abstimmt hatte, liess nicht auf Mehrausgaben für die Schweizer Krankenkassen schliessen. Und auch nicht, dass es um einen Richtungsentscheid beim Thema Abtreibung ging.
Aus der Gesundheitskommission, die das Paket vorberaten hatte, kam auch kein Hinweis. Und so winkte das Parlament das Geschäft im Frühling durch, ohne sich der Tragweite bewusst zu sein – im Schweizer Politikbetrieb eine Kuriosität.
Und die Öffentlichkeit erfuhr auch nichts davon. Bis eine Journalistin einen Tipp bekam. Ende August berichtete die «Sonntagszeitung», dass die Kosten für legale Abtreibungen künftig vollständig von der Krankenkasse übernommen werden, vermutlich ab 2027.
Eine Änderung mit primär sozialpolitischer Bedeutung
Bislang haben die Krankenkassen medizinische Leistungen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft erst ab der 13. Schwangerschaftswoche voll übernommen. Das heisst ohne Abzug im Rahmen von Franchise und Selbstbehalt.
Neu soll die Befreiung von diesen Abzügen bereits ab Beginn der Schwangerschaft gelten. Und das schliesst eben auch Abtreibungen mit ein.
Die Änderung hat vor allem sozialpolitisches Gewicht. Finanziell schlecht gestellte junge Frauen haben oft ein Versicherungsmodell, das einen hohen Eigenanteil bei medizinischen Kosten zur Folge hat. Und mit 500 bis 3000 Franken ist eine Abtreibung in der Schweiz vergleichsweise teuer.
Die politische Linke unterstrich den symbolischen Gehalt der Änderung. Mattea Meyer, Co-Präsidentin der SP, sprach von einem «feministischen Meilenstein». In konservativeren Kreisen hingegen war der Ärger gross.
Liberale Praxis, tiefe Abtreibungsquote
Mit der Frist von maximal 12 Wochen sind Abtreibungen in der Schweiz aber im Vergleich zu den progressivsten Staaten der Welt immer noch recht streng geregelt. Das zeigt die regelmässig aktualisierte Übersicht zur weltweiten Rechtslage des Center for Reproductive Rights in New York.
So erlauben etwa Spanien und Frankreich die Abtreibung regulär bis zur 14., Dänemark und Schweden bis zur 18. und Neuseeland bis zur 20. Schwangerschaftswoche.
Kanada setzt im Bundesrecht überhaupt keine Frist. Es gibt dort allerdings praktische Einschränkungen. In der Regel führen Kliniken Abtreibungen im fortgeschrittenen Stadium nur bei spezifischen Indikationen durch.
Die Kosten für die Abtreibung werden in den meisten progressiven Ländern vollständig von den Kassen übernommen. Etwa in Frankreich, Dänemark und Kanada. Hingegen müssen Betroffene in Deutschland und Österreich die Kosten selbst tragen. Für Geringverdienende gelten Ausnahmen.
Im internationalen Vergleich steht die Schweiz an der Spitze der Länder mit den wenigsten Abtreibungen. Gemäss einer grossen internationalen Studie zum Thema, mit Daten aus den Jahren 2015 bis 2019, hat sie eine Rate von 5 Abtreibungen pro 1000 Frauen und Jahr.
Dieses Ergebnis wird auf die obligatorische Sexualerziehung in den Schulen zurückgeführt, aber auch auf die Kaufkraft in der Schweiz und die gute Verfügbarkeit von Verhütungsmitteln.
Aktuelle Zahlen des Bundesamts für Statistik zeigen, dass die Abtreibungsquote in den letzten Jahren relativ stabil geblieben ist, mit einem besonders tiefen Wert in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen.