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Erbschaften in der Schweiz Wie vererbte Vermögen die Ungleichheit beeinflussen

Geht es um Erbschaften, wird gerne das Matthäus-Prinzip bemüht: Wer hat, dem wird gegeben. Aber stimmt das auch? Wer profitiert wie stark – und mit welchen Folgen für die Gesellschaft? Eine Auslegeordnung wichtiger Befunde und ihrer Interpretationen.

Steiles Wachstum: Was in der Schweiz an Vermögen vererbt wird, legt laufend zu. Dieses Jahr dürften es gemäss dem Ökonomen und Erbenforscher Marius Brülhart insgesamt 100 Milliarden Franken sein. Nahezu eine Verdoppelung innert 15 Jahren. Haupttreiber für den steilen Anstieg der letzten Jahre sind die höheren Immobilien- und Aktienwerte. Diese schenken bei den Vermögen besonders ein.

Lückenhafte Informationen: Die Zahlen beruhen auf Hochrechnungen und Schätzungen. Erbschaften müssen kaum mehr versteuert werden, daher fehlen genaue Daten. Auf Bundesebene gibt es keine Erbschaftssteuer, und die meisten Kantone haben Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen abgeschafft. Also genau für jene Personengruppen, die am meisten von vererbten Vermögen profitieren: Ehegatten, Kinder und Enkel.

Viele erben wenig, wenige erben viel: Ähnlich wie die Vermögen sind Erbschaften in der Schweiz sehr ungleich verteilt. Wie genau, das zeigt eine neue Analyse von Marius Brülhart (Uni Lausanne) und Isabel Martínez (ETH Zürich) aufgrund von Steuerdaten aus dem Kanton Bern: Wäre die gesamte Erbsumme ein Kuchen, gingen zwei Drittel davon an 10 Prozent der Erbinnen und Erben. Das restliche Drittel würde sich auf 90 Prozent der Leute verteilen. Grosse Erbschaften konzentrieren sich also auf eine kleine Gruppe von Personen. Interessanterweise verstärkt dies die gesamtgesellschaftliche Vermögensungleichheit zunächst einmal nicht.

Zwei ältere Personen lesen Zeitung am Frühstückstisch.
Legende: Wegen steigender Lebenserwartung sind Erbende oft schon im Pensionsalter. Keystone/CHRISTOF SCHUERPF

Unterschiedliche Auswirkungen der Verteilung: Erbschaften verteilen sich meistens auf mehrere Personen, so gesehen werden die Vermögen breiter gestreut. Langfristig allerdings ergibt sich ein anderes Bild. Das zeigt eine breit angelegt Langzeitstudie aus Schweden, die 2023 in der Fachzeitschrift Revue of Economic Studies erschienen ist. Dabei kommt es darauf an, wieviel jemand erbt. Wer vergleichsweise wenig erbt, einige tausend Franken oder mehrere zehntausend, gibt das Geld relativ schnell aus, kauft sich zum Beispiel ein neues Auto. Bei diesen ärmeren Erben ist das Geld gemäss der schwedischen Studie nach fünf bis zehn Jahren aufgebraucht. Wer dagegen viel erbt – nicht selten zig Millionen – der oder die investiert oftmals einen grossen Teil davon. Kommt hinzu, dass die meisten Erben grosser Vermögen schon vorher vermögend sind. In mittlerer Frist werden Vermögensungleichheiten tendenziell also verstärkt.

Von guten und schlechten Steuern

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In der ökonomischen Theorie ist eine Erbschaftssteuer eine relativ gute Steuer, weil sie effizient ist. Im Vergleich zu anderen Steuern schmälert sie nicht die Leistungsanreize. Eher im Gegenteil. Zudem ist eine Erbschaft in der Regel unverdientes Vermögen, zu dem man nichts beigetragen hat.

Knackpunkt ist die Ausgestaltung der Steuer. Ist sie zu hoch, tun Betroffene viel um die Steuer zu umgehen – wegziehen etwa. Das wäre ineffizient. Und unter dem Strich für den Staat ein Verlustgeschäft.

Offener Ausgang: Interessant wird sein zu sehen, wie demografische Trends und neue Familienformen die Verteilung von Erbschaften in Zukunft beeinflussen: Weil die Menschen älter werden, erben viele erst im Pensionsalter. Weil es mehr Alleinstehende gibt, und die Leute weniger Kinder haben, entstehen neue Muster. So begünstigen viele öfter auch Menschen ausserhalb der biologisch-rechtlichen Kernfamilie, die Lebenspartnerin etwa, mit der man nicht verheiratet ist. Das ist seit 2023 auch rechtlich einfacher. Oder das Vermögen fliesst zunehmend auch an Stiftungen oder gemeinnützige Organisationen. Solche Entwicklungen würden eine breitere Verteilung der Vermögen begünstigen.

Echo der Zeit, 14.11.2025, 18 Uhr

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