Worum geht es? Die Erbschaftssteuer-Initiative der Juso verlangt eine nationale Erbschaftssteuer auf Vermögen von über 50 Millionen Franken. Erbschaftssteuern gibt es bislang nur auf Kantons- und Gemeindeebene – und sie wurden laufend gesenkt oder abgeschafft.
Wie gerieten die Erbschaftssteuern unter Druck? Ab den 80er-Jahren setzte ein Steuerwettlauf nach unten ein: Ein Kanton nach dem anderen senkte die Erbschaftssteuern oder schaffte sie für direkte Nachkommen ab. Es gab einen Dominoeffekt. Das Killerargument war die Warnung vor dem Wegzug von Vermögenden in steuergünstigere Kantone. Das zeigte 2014 eine Auswertung der Abstimmungsbüchlein zu 15 kantonalen Urnengängen seit 1990 durch den Wirtschaftsprofessor Marius Brülhart.
In 13 von 15 Abstimmungsbüchlein wurde das Wegzug-Argument an erster Stelle genannt – vor weiteren Überlegungen wie der Mehrfachbesteuerung durch Vermögens- und Erbschaftssteuer.
Wie begründet war die Furcht vor Wegzügen? Professor Brülhart hat vor über zehn Jahren Steuerdaten aus allen Kantonen von 1971 bis 2008 untersucht. In seiner Studie kam er zum Schluss, dass die Mobilität überschätzt wurde. Die Befürworter von tieferen Erbschaftssteuern argumentierten, dass sich die Einnahmen dank Zuzügen von Vermögenden wieder erholen würden. Brülhart fand dafür keine Belege, auch nicht über einen Zeitraum von bis zu 20 Jahren. Der Druck des Steuerwettbewerbs sei nicht so stark, wie es die Logik vermuten lasse.
Wohin führte das Domino? Die Belastung durch Erbschaftssteuern hat sich seit 1990 im Schnitt über die ganze Schweiz mehr als halbiert. Die verbleibenden Erbschaftssteuern brachten Kantonen und Gemeinden 2022 Einnahmen von 1.4 Milliarden Franken. Das sind 1.6 Prozent der gesamten Steuereinnahmen. Zum Vergleich: 1990 machten die Erbschaftssteuereinnahmen noch 2.5 Prozent aus.
Wo liegt das Erbschaftssteuer-Paradies? Die Kantone Obwalden und Schwyz kennen gar keine Erbschaftssteuern – weder für Verwandte noch für Nichtverwandte. Schwyz hatte sie gar nie eingeführt, Obwalden hat sie vor acht Jahren abgeschafft.
Wo liegt die Steuerhölle? Die höchsten Erbschaftssteuern fallen in der Waadt an, sowohl für Nachkommen als auch für Nichtverwandte. In Lausanne zahlen Kinder und Grosskinder auf eine Erbschaft von einer halben Million Franken fast 6 Prozent Steuern. Gar 50 Prozent zahlen Nichtverwandte. Das ist so viel, wie die Juso-Erbschaftssteuer-Initiative für Vermögen von über 50 Millionen Franken verlangt.
Wie präsentiert sich der Erbschaftssteuer-Flickenteppich heute? Bei den Steuersätzen für Erbinnen und Erben, die mit den Verstorbenen nicht verwandt sind, herrscht ein Tarifdschungel. Die Tarife sind zudem häufig auch noch abgestuft je nach Höhe der Erbschaft. Bei einer Erbschaft von einer 0.5 Million Franken sind je nach Kanton Steuerrechnungen zwischen 0 und 250'000 Franken möglich.
Übersichtlicher ist das Bild bei den Steuern für Kinder und Grosskinder. Alle Kantone ausser Waadt, Neuenburg, Appenzell Innerrhoden und Luzern haben diese abgeschafft. Ein Spezialfall ist der Kanton Solothurn, der für Kinder und Grosskinder eine «Nachlasstaxe» verlangt, die allerdings deutlich tiefer ist als die Tarife für andere Verwandte oder Nichtverwandte. Auch die vier Kantone, die noch Erbschaftssteuern für direkte Nachkommen kennen, verrechnen für Kinder und Grosskinder tiefere Tarife.