Catherine Debrunner hat an den Paralympischen Spielen in Paris abgeräumt. SRF News wollte von ihr wissen, welchen Stellenwert der Behindertenspitzensport in der Gesellschaft hat.
SRF News: Sie haben sechs der insgesamt 21 Medaillen der Schweizer Paralympionikinnen und Paralympioniken geholt. Wie blicken Sie auf diesen Erfolg zurück?
Catherine Debrunner: Es ist unglaublich, was für einen Erfolg das Schweizer Team gefeiert hat. Ich bin unglaublich stolz, Teil davon zu sein und so gut geliefert zu haben.
Ich denke, unsere Vorbildfunktion ist sehr, sehr gross.
Inwiefern sehen Sie in Ihrer eigenen Leistung und im Erfolg an den Paralympics eine Vorbildfunktion?
Ich denke, unsere Vorbildfunktion ist sehr, sehr gross. Mir ist es wichtig, ein Vorbild zu sein für die junge Generation, sei es für Leute im Rollstuhl oder die ein Handicap haben, aber auch für Leute ohne Handicap. Mir ist es wichtig, zu zeigen: Wenn man sich ein Ziel steckt, wenn man eine Passion hat – sei das im Sport oder in der Kunst oder Musik oder was auch immer –, dass man wirklich dran bleibt. Dass man dafür arbeitet. Und dass man auch den Mut haben darf, grosse Träume zu haben. Und manchmal werden sie wahr. Das ist dann natürlich wunderschön.
Hat sich die Bekanntheit der Paralympics und der Athletinnen und Athleten verändert?
Ich bin sehr froh, dass in den vergangenen 20 Jahren – seit ich dabei bin – sehr viel passiert ist. Medial haben wir zum Glück viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als noch vor ein paar Jahren. Klar, verglichen mit anderen Ländern kann man sagen, dürfen wir schon noch ein bisschen Gas geben. Aber ich glaube, jetzt, mit dieser medialen Sichtbarkeit, die wir an den Paralympics hatten, dürfen wir zufrieden sein. Ich habe viel Feedback bekommen und das freut mich extrem.
Diskriminierung erleben wir tagtäglich überall, nicht nur wir im Rollstuhl oder mit einem Handicap.
Es gab aber auch Kommentare, die Entrüstung auslösten. So äusserte sich der deutsche Comedian Luke Mockridge in einem Podcast sehr behindertenfeindlich.
Diskriminierung erleben wir tagtäglich überall, nicht nur wir im Rollstuhl oder mit einem Handicap. Auch Leute aus anderen Ländern, Frauen und noch viele mehr. Ich denke, es ist eine Wunschvorstellung, dass die Diskriminierung jemals ganz wegfällt. Aber ich würde mir schon sehr fest wünschen für unsere Gesellschaft, dass man einander mehr leben lässt. Ich selbst versuche, mich von solchen Kommentaren einfach fernzuhalten.
Sind solche Aussagen eher die Ausnahme oder sind Sie immer wieder mit Herablassungen konfrontiert?
Bislang wurde ich noch ziemlich verschont. Aber ist ja schon so, je bekannter man wird, desto mehr kommen auch die Neider. Ein Beispiel: Ich hatte eine internationale Kampagne mit einem Kleidersponsor auf Instagram. Da waren primär Fussgänger zu sehen, und ich war die erste Rollstuhlfahrerin. Und da gab es Kommentare wie ‹Du rennst ja gar nicht, aber die Kampagne heisst Run your way›. Im ersten Moment war ich gekränkt. Ich habe dann probiert, diese Kommentare möglichst nicht zu nahe an mich heranzulassen, weil ich sehr stolz auf diese Kampagne war. Ich hoffe, dass in Zukunft noch mehr Leute mit einem Handicap auch in solchen weltweiten Kampagnen vertreten sein dürfen.
Mir wäre es sehr wichtig, dass generell in den Medien wir Leute mit einem Handicap viel mehr als Sportler angeschaut werden und nicht zu fest unser Schicksal, unsere Geschichte beleuchtet wird.
Was müsste sich aus Ihrer Sicht noch gesellschaftlich verändern, damit der Behindertenspitzensport oder behinderte Menschen noch sichtbarer werden?
Mir wäre es sehr wichtig, dass generell in den Medien wir Leute mit einem Handicap viel mehr als Sportler angeschaut werden und nicht zu fest unser Schicksal, unsere Geschichte beleuchtet wird. Klar, sie ist Teil von uns, aber ich finde, schlussendlich sollte es um Sport gehen.
Das Gespräch führte Can Külahcigil.