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Lebkuchen, Glühwein & Co. Weihnachtsgewürze: vom Luxusgut zur Massenware

Sternanis, Zimt und Kardamom gehören für viele untrennbar zur Weihnachtszeit. Doch Gewürze sind weit mehr als nur Geschmacksverstärker: Sie verbinden Kulturen, wecken Erinnerungen und dienen teils auch als Medizin. In unserem Weihnachtsgebäck sind sie erst spät gelandet.

Ihr einzigartiger Geschmack und ihre lange Haltbarkeit machten Gewürze bereits vor über 2000 Jahren zu einer der ersten global gehandelten Waren. Auf dem Land- und Seeweg gelangten sie von Asien in den Nahen Osten und schliesslich nach Europa. Aufgrund ihrer Seltenheit und grossen Begehrtheit dienten Gewürze sogar als Zahlungsmittel, und im Mittelalter wurde Pfeffer mit Gold aufgewogen. Der Handel mit Gewürzen war so lukrativ, dass Handelsleute auch zu unsauberen Mitteln griffen: Teurem Pfeffer wurde billiger Wacholder beigefügt, gemahlener Zimt wurde mit Sand vermischt.

Das Geheimnis hinter den Weihnachtsgewürzen

«Gewürze waren früher ein teurer Luxus, den man sich nur zu speziellen Anlässen leisten konnte», erklärt Phuong Nguyen, Doktorandin in Anthropologie an der Universität Zürich.

In der Fastenzeit vor Weihnachten – wenn es keine frischen Kräuter gab und die Gerichte eher eintönig ausfielen – verfeinerten Gewürze die Speisen.
Autor: Phuong Nguyen Doktorandin in Anthropologie an der Universität Zürich

Ein weiterer Vorteil war, dass Gewürze gut lagerbar sind und somit selbst in den kargen Wintermonaten verfügbar waren. «Gerade in der Fastenzeit vor Weihnachten – wenn es keine frischen Kräuter gab und die Gerichte eher eintönig ausfielen – verfeinerten Gewürze die Speisen», sagt Phuong Nguyen.

Als Weihnachtsgewürze etabliert haben sich Zimt, Sternanis & Co. erst im 18. Jahrhundert, mit der Etablierung des Weihnachtsfestes. In Asien hingegen werden diese Gewürze das ganze Jahr über verwendet, etwa im vietnamesischen Nationalgericht – der Nudelsuppe Pho.

Mehrere Schüsseln mit Nudelsuppe, Limetten und frittierten Teigtaschen in einer Strassenküche
Legende: Strassenküche in Hanoi: Schüsseln mit heissem Pho, der traditionellen vietnamesischen Nudelsuppe. Gewürze wie Cassia-Zimt, Sternanis und schwarzer Kardamom prägen das Gericht, das das ganze Jahr über gegessen wird. ZVG Völkerkundemuseum der Universität Zürich / He Tekken

Die Schattenseiten der Globalisierung

Durch die Globalisierung und immer schnellere Lieferketten verloren viele Gewürze ihren Status als Luxusgüter und wurden zu Massenware. Das hat auch Nachteile. «Besonders bei der Zimtproduktion kommt es zu problematischen Monokulturen», sagt Annuska Derks, Professorin für Sozialanthropologie.

Frau sitz auf Stuhl und schält mit einem Sichelmesser die Rinde vom Stamm.
Legende: Eine Bäuerin beim Schälen der Zimtrinde. Für die Ernte werden die Bäume gefällt, die Rinde mit einem sichelförmigen Messer eingeschnitten und anschliessend abgeschält. Der Anbau von Cassia-Zimt stellt für viele ethnische Minderheiten im Norden Vietnams eine wichtige Einkommensquelle dar. Vietnam ist weltweit der grösste Zimtexporteur. ZVG Völkerkundemuseum der Universität Zürich / Phuong Nguyen

Für die Ernte der Rinde, aus der der Zimt hergestellt wird, müssen die Bäume gefällt werden. «Die intensive Landwirtschaft kann zu Bodenerosion und einem Verlust der Biodiversität führen», so Derks. Gleichzeitig habe die Zimtproduktion vielen Bauernfamilien einen bescheidenen Wohlstand gebracht.

Verwendung auch ausserhalb der Küche

Gewürze spielen auch als Heilmittel eine Rolle. In der traditionellen vietnamesischen Medizin wird Zimt beispielsweise zur Stabilisierung des Blutzuckerspiegels eingesetzt, während Kardamom bei Magenentzündungen verwendet wird.

Mann im Sternanisbaum bei der Ernte
Legende: Ein Bauer bei der Ernte von Sternanis in Vietnam. Die Früchte des immergrünen Sternanisbaums werden mit Haken von den Ästen gelöst und anschliessend in der Sonne getrocknet. Die Bäume können bis zu 20 Meter hoch werden. ZVG Völkerkundemuseum der Universität Zürich / Phuong Nguyen

In der westlichen Schulmedizin lieferte Sternanis in den 2000er-Jahren einen wichtigen Bestandteil zur Herstellung des Medikaments Tamiflu, das bei der Schweine- und später Vogelgrippe verabreicht wurde.

Teilweise waren die Sternanispreise so niedrig, dass sich selbst das Ernten der Früchte nicht mehr lohnte.
Autor: Annuska Derks Professorin für Sozialanthropologie an der Universität Zürich

In dieser Zeit schoss der Sternanispreis in die Höhe – innerhalb einer Woche war er doppelt so hoch wie zuvor. Inzwischen wird das Grippemedikament jedoch mit einem synthetisierten Wirkstoff hergestellt und die Preise sind wieder gesunken. Für viele Bauernfamilien waren diese Preisschwankungen gravierend, sagt Annuska Derks. «Teilweise waren die Preise so niedrig, dass sich selbst das Ernten der Früchte nicht mehr lohnte.»

Die Forschung zu Gewürzen hat Annuska Derks und Phuong Nguyen auch gezeigt, dass Gewürze für viele Menschen Heimat und Geborgenheit bedeuten. «Von meinen Reisen in Asien nehme ich Gewürze mit in die Schweiz», sagt Annuska Derks. «Diese brauche ich dann im Fondue Chinoise.» Denn Gewürze verbinden auch Kulturen.

SRF 4 News, 23.12.2025, 10:18 Uhr

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