Worum es geht: US-Präsident Donald Trump hat diese Woche behauptet, die Einnahme des Schmerzmittels Paracetamol während der Schwangerschaft führe zu einem «sehr erhöhten Risiko», dass das Kind Autismus entwickle. Flankiert von seinem Gesundheitsminister Robert F. Kennedy riet Trump Schwangeren vom Gebrauch des Mittels ab. Paracetamol ist indes eines der wenigen Schmerzmittel, die für Schwangere als unbedenklich gelten.
Wenn man einmalig ein Schmerzmittel nimmt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass da überhaupt ein Schaden entsteht.
Das sagt die Wissenschaft: Fachleute widersprechen Trumps Behauptung entschieden. «Trump hat nicht recht mit seiner Aussage», sagt Christine Freitag, Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie am Unispital Frankfurt. Die Behauptung sei nicht belegt. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilt mit, es gebe keine schlüssigen Beweise für eine Verbindung zwischen Paracetamol und Autismus. «Trumps Paracetamol-Warnung ist fertiger Humbug», sagt Freitag.
So wirkt Paracetamol für Schwangere und ihren Fötus: «Grundsätzlich ist es sinnvoll, in der Schwangerschaft möglichst keine Medikamente zu nehmen», sagt die Professorin für Kinder- und Jugendpsychiatrie. Es gebe zwar Studien, die einen Zusammenhang zwischen Paracetamol und Entwicklungsstörungen nahelegen. Laut Christine Freitag handelt es sich dabei aber meist um Tiermodelle oder um Fälle mit sehr hoher und langer Dosierung über Wochen. Ein Risiko sei nicht quantifizierbar. «Wenn man einmalig ein Schmerzmittel nimmt, ist es sehr unwahrscheinlich, dass da überhaupt ein Schaden entsteht», betont Freitag. Zudem hätten alternative Schmerzmittel oft mehr unerwünschte Wirkungen.
Darum können solche Warnung gefährlich sein: Gänzlich auf Paracetamol zu verzichten, kann für das ungeborene Kind gefährlich werden. Edna Grünblatt, Forscherin im Bereich Kinder- und Jugendpsychiatrie am Unispital Zürich, warnt, dass hohes Fieber bei der Mutter Entwicklungsstörungen beim Fötus verursachen kann. Eine erhöhte Temperatur bedeute Stress für die Zellen des Kindes. Es sei daher sinnvoller, das Fieber gezielt zu behandeln, anstatt Risiken für das Kind in Kauf zu nehmen.
Das sind die Ursachen von Autismus: Die Wissenschaft ist sich einig, dass genetische Faktoren die Hauptrolle bei der Entstehung von Autismus spielen. Es handle sich um ein komplexes Zusammenspiel verschiedener Gene, erklärt Freitag. Daneben gibt es pränatale Umweltrisikofaktoren, die das Risiko erhöhen können. Dazu zählen laut Professorin Freitag Virusinfektionen während der Schwangerschaft, Diabetes oder Adipositas der Mutter sowie Umweltgifte wie Feinstaub. Paracetamol gehört nach aktuellem Wissensstand nicht dazu.
Darum steigen die Autismus-Diagnosen: Trump und Kennedy sprechen von einer «Autismus-Epidemie» in den USA. «Die Rate an pränatalen Infektionen ist in den USA mittlerweile so hoch wie in Afrika», sagt Freitag. Das könne bei entsprechenden Prädispositionen zu einem erhöhten Risiko für Autismus und ADHS führen. Tatsächlich steigen diese Diagnoseraten seit Jahren. Aber Fachleute haben noch eine weitere Erklärung: In den USA erhalte man mit einer Autismus-Diagnose deutlich mehr Unterstützung aus dem Gesundheits- und Sozialsystem, sagt Freitag. Dies schaffe einen Anreiz für Eltern, eine solche Diagnose anzustreben. Zudem sei die Öffentlichkeit heute stärker für das Thema sensibilisiert, was zu mehr und früheren Diagnosen führe.