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Prägende Namen Warum Tim seltener dick ist als Udo

Ob modern oder altmodisch – ein Vorname kann mehr Einfluss haben, als vielen bewusst ist. Studien zeigen: Namen prägen unsere Identität, sie beeinflussen, wie wir wahrgenommen werden – und sogar, wie wir aussehen.

Mit welchen Erwartungen wir durch unseren Namen konfrontiert werden, und wie sich das auf unser Leben und unser Erscheinungsbild auswirken kann, erklärt Psychologe Claus-Christian Carbon.

Claus-Christian Carbon

Psychologe

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Carbon leitet den Lehrstuhl für allgemeine Psychologie und Methodenlehre an der Otto-Friedrich-Universität Bamberg. Er forscht auf den Gebieten der Wahrnehmungs- und Gedächtnispsychologie, der kognitiven Ergonomie, der Innovations- und Designforschung und der angewandten psychologischen Methodenentwicklung. Sei Hauptforschungsschwerpunkt ist das Gebiet der empirischen Ästhetik.

SRF: Machen in der modernen Wirtschaftswelt Menschen mit Namen wie Noah oder Mia eher Karriere als andere?

Claus-Christian Carbon: Man kann tatsächlich empirisch beweisen, dass manche Namen einen besseren «Wirkungsgrad» haben als andere. Ob ein Name karriereförderlich ist, hängt aber stark vom beruflichen Bereich ab. In modernen Branchen wie etwa der IT kann ein moderner Name vorteilhaft sein. Wenn es aber um eine Käserei oder ein anderes traditionsreiches Handwerk geht, wirkt ein altmodischer oder würdevoll klingender Name oft passender.

Welche Rolle spielt die Herkunft eines Namens?

Eine sehr grosse. Wenn etwa ein Name muslimisch klingt oder wenn man zusätzlich weiss, wo eine Person geboren wurde oder aktuell lebt, beeinflusst das stark, wie viel Erfolg man dieser Person zuschreibt. Und jetzt kommt etwas Fatales ins Spiel: Denn wir – ob als Lehrkraft, Kollegin oder Vorgesetzter – neigen dazu, solche Informationen mit bestehenden Stereotypen zu verknüpfen. Wir sehen dann eher das, was zu unseren Vorstellungen passt – zum Beispiel vermeintlich negative Eigenschaften – und übersehen dabei oft die positiven, die auch vorhanden sind. So entsteht eine sogenannte selbsterfüllende Prophezeiung.

Wie lassen sich solche Zusammenhänge empirisch belegen?

Natürlich wird eine einzelne Person nicht immer genau nach Schema oder dem empirischen Mittel behandelt. Aber mit Fallzahlen von mehreren 10'000 lassen sich diese Effekte gut nachweisen.

Menschen mit einem Namen wie Tim – mit einem schlanken «i» – sind häufiger auch tatsächlich schlanker als Menschen mit Namen, die eher runde Vokale wie «o» oder «u» enthalten.

Der Dorian-Gray-Effekt ist zum Beispiel tatsächlich so wirkstark, dass zum Beispiel Menschen mit einem Namen wie Tim – mit einem schlanken «i» – häufiger auch tatsächlich schlanker sind als Menschen mit Namen, die eher runde Vokale wie «o» oder «u» enthalten. Und offensichtlich gibt es die Tendenz, wenn Menschen ihren eigenen Namen lesen, hören oder sich Bilder von anderen Personen, die so ausgesehen haben, anschauen – dann haben sie das Gefühl, sie müssten eher schlanker sein.

Wer mit einem klangvollen, vielleicht adligen Nachnamen aufwächst, wird vermutlich in einer Welt aufwachsen, die darauf Wert legt, dass der Name etwas Besonderes und Elegantes ist.

Passen wir unser Aussehen im Laufe des Lebens unserem Namen an?

Genau. Das klingt zunächst kaum glaubwürdig, ist aber so. Wer etwa mit einem klangvollen, vielleicht adligen Nachnamen aufwächst, wird vermutlich in einer Welt aufwachsen, die darauf Wert legt, dass der Name etwas Besonderes und Elegantes ist. Diese Besonderheit werde ich im Lauf der Zeit weiter kultivieren und weiter verstärken. Solche Effekte sind teils sehr stark, aber es ist wichtig, zu betonen, dass sie lediglich im statistischen Mittel zu verstehen sind. Es geht nicht darum, dass man sich anders verhalten muss, weil man einen adeligen Namen hat.

Geschieht das eher bewusst oder unbewusst?

Meist wirken diese Prozesse unbewusst. Vielleicht mögen wir Schauspieler besonders gern, die so heissen wie wir, oder wir interessieren uns stärker für Orte, die mit einem Namen in Verbindung stehen. Aber es gibt auch die bewussten Effekte: Wenn wir etwa jemanden kennenlernen, der uns sympathisch ist und einen ähnlichen Namen trägt, sagen wir: «Toll, die hat ja fast denselben Namen wie ich.» Oft beginnt es mit einem unbewussten Effekt, dem später eine bewusste Reaktion folgt.   

Das Gespräch führte Iwan Lieberherr.

Bunte Buchstaben in Namensbändern auf blauem Hintergrund.
Legende: imago images/Martin MÖLLER

Echo der Zeit, 25.5.2025, 18 Uhr ; 

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