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Street-Art-Duo «One Truth»: von verbotener Kunst zu fürstlicher Anerkennung

Was vor 20 Jahren in der Dunkelheit Zürichs als illegale Schmiererei entstand, finanziert den Street-Art-Künstlern Michael und Tobias Senn heute das Leben.

«One Truth» – eine Wahrheit, zwei Brüder. Michael alias Pase und Tobias alias Dr. Drax machen seit 20 Jahren zusammen Street Art. Nicht nur in der Schweiz hat sich das Künstlerduo einen Namen gemacht. Mittlerweile dekoriert es mit seinen Motiven Fassaden von Zürich bis Berlin. Die beiden gehören zu den grossen Namen in der Szene. Zu ihren Kunden gehören die Fifa, Google und Red Bull.

Die eigenen Hunde als Inspiration

In ihrem Atelier in Zürich entstehen Entwürfe für grosse Wandmalereien, aber auch kleinere Werke auf Leinwand. Während Pase den Hintergrund der Bilder mit abstrakten Landschaften aus typografischen Elementen erstellt, entwickelt Dr. Drax hauptsächlich die Charaktere. Die farbenfrohen Monster und comicartigen Hunde in ihren Werken erzählen persönliche Geschichten der Brüder. Darin geht es um das Aufwachsen ohne Vater, ihre Beziehung zueinander sowie um ihre beiden Hunde, die ihre ständigen Begleiter sind.

Diesen Juni wurden «One Truth» an ein Street-Art-Festival mit wohltätigem Zweck nach Monaco eingeladen. Der Gastgeber: Fürst Albert persönlich. «Da ist man sich ein bisschen vorgekommen wie ein Star», sagt Tobias Senn. Vor Ort ist ein ironisches Porträt entstanden, das den Fürsten als Hundekönig darstellt. «Er musste dann wirklich auch lachen. Das war ein schönes Erlebnis», sagt Michael Senn.

Von illegaler Schmiererei ...

Angefangen haben die beiden weit weg von Monacos Glanz und Glamour. Als Teenager mussten die Brüder im Dunkel der Nacht die ersten Flächen besprayen, weil Street Art damals noch kein angesehener Kunstzweig war.

Wir haben das letzte Geld gebraucht, um Spraydosen zu kaufen.
Autor: «One Truth» Künstlerduo

Tobias Senn, der ältere der beiden Brüder, erinnert sich: «Das waren noch Zeiten, als wir nachts mit einem Bike rausgegangen sind und autodidaktisch im Untergrund tätig waren, um diese Kunstform zu erlernen. Wir haben das letzte Geld gebraucht, um Spraydosen zu kaufen.» Den jüngeren Bruder reizte vor allem der Kick der Anonymität. Niemand habe gewusst, wer das Kunstwerk gemacht habe.

... zum Lebensunterhalt

Mit zunehmender Zeit kam jedoch ein Umdenken: «Das kannst du nicht ein Leben lang machen, dich immer in der Nacht verstecken», sagt Tobias Senn. «Dafür, fanden wir, hatte die Kunst zu viel Potenzial.» Ihren Erfolg erklärt sich Michael Senn durch den Unterschied zur klassischen Kunst: «Street Art ist draussen und für alle zugänglich. Ich glaube, darum ist sie auch so gross geworden.»  

Die Künstler hoffen, noch eine lange Karriere vor sich zu haben. Ein grosses Ziel ist jedoch bereits erreicht: Sie können von der Kunst leben. Und die beiden sind sich einig: «Wir sind noch jung als Künstler, das ist ein grosses Geschenk, und es kann eigentlich nur noch besser werden.»

Gesichter & Geschichten, 06.09.2023, 18.35 Uhr

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