Der Walliser Raphael Wicky soll die Berner Young Boys nach einer missratenen Saison zurück auf die Siegesstrasse führen. Aber wie tickt der 45-Jährige als Mensch? Im ersten grösseren Interview seit seinem Amtsantritt Mitte Juni sagt der frühere Nati-Spieler, was ihm wichtiger als Fussball ist und weshalb er schon seit seiner Geburt ein halber Berner ist.
SRF News: Führen Sie YB wieder zum Meistertitel?
Raphael Wicky: Das ist sicher unsere Ambition. Aber YB belegte letzte Saison den dritten Platz. Wir gehen also nicht als Favorit in die neue Spielzeit. Jedoch bin ich als Trainer natürlich zu den Young Boys gekommen, um ganz zuoberst zu stehen.
Bei Ihren letzten Trainerstationen beim FC Basel und bei Chicago Fire wurden Sie entlassen. Wenn Sie bei YB nicht reüssieren sollten, wäre dies ein herber Schlag für Ihre Trainerkarriere. Wie gehen Sie mit dem Druck um?
Ich mache mir keine negativen Gedanken, so funktioniere ich nicht. Ich denke sehr positiv – und weiss natürlich, dass der Job als YB-Trainer eine grosse Herausforderung ist. Ich bin jetzt fast über 30 Jahre als Spieler und Trainer im Profifussball dabei und kenne das Geschäft.
Druck gehört seit jeher dazu. Was ich machen kann, ist jeden Tag meine beste Leistung abzuliefern, hart zu arbeiten und mit guter Energie ins Training zu gehen. Sowohl die Engagements in Basel wie Chicago sehe ich trotz der Entlassungen nicht als Niederlagen. Ich habe sehr viel gelernt und meinen Rucksack mit Erfahrungen gefüllt.
Das soziale Umfeld ist für mich das Wichtigste.
Sie gelten als gewiefter Kommunikator mit einem guten Gespür. Können Sie auch mal so richtig auf den Tisch hauen in der Kabine?
Ja, das kann ich schon. Ich habe kein Problem, einem Spieler etwas zu sagen. Und auch mal lauter zu sein, wenn es sein muss. Es bringt aber nichts, wenn man als Trainer immer laut ist. Dann hören einem die Spieler irgendwann nicht mehr zu.
Nach dem USA-Abenteuer haben Sie zuletzt in Ihrem Heimatdorf in Steg (VS) eine mehrmonatige Auszeit verbracht. Wie wichtig ist Ihnen Ihr Umfeld?
Ich habe eine sehr enge Bindung zu meinen Eltern und meinen Schwestern. Und ich kann auf Kollegen zählen, die ich seit Jahrzehnten kenne und schätze. Das soziale Umfeld ist für mich da, bei Siegen wie Niederlagen. Bei Erfolg und Misserfolg. Das ist für mich das Wichtigste und hilft auch in schwierigen Momenten in der Karriere. Ich habe mich auch als Spieler nie über Fussball definiert. Auf das lege ich sehr viel Wert, auch jetzt als Trainer.
Ihre Wurzeln sind Ihnen sehr wichtig. Wobei: Eigentlich sind sie ja nur ein «halber Walliser», weil Ihre Mutter aus dem Berner Seeland stammt.
Richtig, meine Grosseltern lebten in Safnern bei Biel. Als sie noch lebten, habe ich sie dort immer wieder besucht, ich kenne die Gegend gut. Meine Mutter lebt aber schon lange im Wallis, auch wenn sie noch immer berndeutschen Einfluss in ihrem Dialekt hat.
Eine enge Beziehung haben Sie auch mit den USA. Ihre Frau ist Amerikanerin, Sie lebten länger in Venice Beach. Ist es für Sie eine zweite Heimat?
Mir gefällt Südkalifornien sehr, darum habe ich dort ein Haus gekauft. Wegen des milden Klimas ist es einer der wunderbarsten Orte, wo man leben kann. Aber meine Heimat, meine Wurzeln, bleiben für immer in der Schweiz und besonders im Wallis. Los Angeles ist für mich aber eine zweite Heimat.
Das Gespräch führte Marielle Gygax.