Adrian Kalbermatten und Brigitte Dirren stehen vor ihrem Haus in Blatten – sie dürfen zurück, aber nur kurz. Der Winter naht, die Kälte drückt, und trotzdem ist es ein Moment voller Emotionen. «Es fühlt sich an wie Heimweh. Es ist ein schöner Moment, nach Hause zu kommen. Aber hart, dann wieder zu gehen», sagt Kalbermatten. Ihr Haus liegt etwas ausserhalb des Dorfs am Hang und blieb beim Bergsturz unbeschädigt.
Schlafzimmer, Stube, Balkon – alles steht in ihrem Haus noch so, wie sie es verlassen haben. Wasser und Strom funktionieren wieder. Bald müssen sie jedoch für den ganzen Winter Abschied nehmen – und hoffen, dass sie im nächsten Jahr dauerhaft zurückkehren können.
Wir haben alles, was man braucht. Und trotzdem ist es dort nicht unser Zuhause.
Ein halbes Jahr nach dem verheerenden Berg- und Gletschersturz hat sich Blatten stark verändert. Der See, der sich nach dem Abgang gebildet hatte, ist inzwischen um mehrere Meter abgesunken.
So sieht Blatten nach dem ersten Schnee aus
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Bild 1 von 3. Die ersten grösseren Schneefälle bedecken in Blatten Ende Oktober 2025 den Schuttkegel. Bildquelle: Keystone/AP/Michael Probst.
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Bild 2 von 3. Nach dem Bergsturz bildete sich ein See, in dem Häuser versunken sind. Bildquelle: Keystone/AP/Michael Probst.
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Bild 3 von 3. Schnee hin oder her: Das Lötschental wird nie mehr so sein wie vor dem Bergsturz von Blatten. Bildquelle: Keystone/AP/Michael Probst.
Für die Häuser, die im Wasser standen, gibt es keine Zukunft mehr – die Gefahr von Hochwasser bleibt zu gross. Weiter oben im Tal sieht es anders aus: Hier liegen Zonen, die laut der neuen Gefahrenkarte als sicher gelten. Zu diesen gehört das Haus von Kalbermatten und Dirren – sie hatten Glück im Unglück.
Herzschmerz im Schlafzimmer
Im Haus ist es kälter als gewohnt, aber bewohnbar. «Man kann sogar hier sein ohne zu heizen», sagt Kalbermatten. Doch das wird sich bald ändern: Minus zehn Grad und zwei Meter Schnee sind in Blatten im Winter keine Seltenheit.
Es gilt, das Haus winterfest zu machen. Die Bodenheizung musste entleert werden, damit nichts gefriert. Heute packen sie warme Kleidung ein – viel Platz gibt es jedoch nicht in ihrer kleinen Übergangswohnung zwei Dörfer weiter.
«Wir haben alles, was man braucht. Und trotzdem ist es dort nicht unser Zuhause», sagt Dirren. «Ich nehme Bettzeug mit, damit es wenigstens ein bisschen unser Heim ist. Aber es tut im Herzen weh, wieder gehen zu müssen», sagt sie mit bewegter Stimme.
Hoffnung und harte Realität
Für das Paar gibt es Hoffnung: Ihr Haus liegt in einer sicheren Zone. Andere haben weniger Glück – ältere Menschen, die nicht neu bauen können, werden Blatten wohl nie mehr sehen.
Die aktualisierte Gefahrenkarte zeigt: Es gibt Gebiete für einen Neubeginn. «Die eingefleischten Blattner werden zurückkommen», glaubt Kalbermatten. «Nicht alle, aber die meisten.»
Bis sie in ihr trautes Heim zurückkehren können, eventuell schon nächsten Frühling, bleibt das Haus leer. Zahlen müssen sie trotzdem. Denn die Hypothek läuft weiter. «Die Bank ist uns nicht entgegengekommen. Wir zahlen unsere Zinsen weiter», sagt Kalbermatten.
Jemand muss den Anfang machen und ins Dorf Blatten zurückkehren.
Dennoch wollen sie ihr Haus nicht loslassen, sondern so bald wie möglich zurückkehren und so Blatten Hoffnung geben. «Jemand muss den Anfang machen und ins Dorf zurückkehren», sagt Dirren. «Wenn wir nicht zurückkommen, macht es niemand.»
Für sie ist klar: Sie wollen zurück – auch wenn der Weg lang und steinig bleibt.
Bergsturz von Blatten zerstört historisches Dorf
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Bild 1 von 7. Innert Sekunden begraben die Geröllmassen das Lötschental. Das ganze Ausmass ist wegen der Staubwolke zuerst kaum sichtbar. Bildquelle: SRF.
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Bild 2 von 7. Am 28. Mai 2025 verschüttete ein gigantischer Bergsturz das Dorf Blatten im Lötschental. Bildquelle: Keystone / Michael Buhholzer.
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Bild 3 von 7. Riesige Geröllmassen begruben das ganze Dorf unter sich. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
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Bild 4 von 7. Nur wenige Häuser blieben von Blatten übrig. Schon bald verschluckte sie jedoch ein See, welcher durch den Schuttkegel aufgestaut wurde. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
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Bild 5 von 7. Wo früher ein Dorf war, blieben nur noch Trümmer. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
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Bild 6 von 7. Mehrere hundert Menschen verloren ihr Hab und Gut. Bildquelle: Keystone / Jean-Christophe Bott.
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Bild 7 von 7. Die Zukunft des Lötschentals ist nach dem Bergsturz ungewiss. Bildquelle: Keystone / Michael Buholzer.