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Gefahrensituation Lötschental «Blatten könnte ein Modellfall werden – auch international»

Aktuell liegt Blatten unter einem riesigen Schuttkegel. In der Landschaft rundherum hat der Bergsturz viele neue Gefahren geschaffen. Der Ort soll aber schnell wiederaufgebaut werden. Jetzt bietet eine neue Gefahrenkarte einen Blick in die Zukunft im Lötschental. Der Geograf und Klimaforscher Christian Huggel sagt, dass Blatten ein wegweisendes Beispiel für das Leben in Alpentälern werden könnte.

Christian Huggel

Geograf und Klimaforscher

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Christian Huggel ist Professor an der Universität Zürich. Dort leitet er die Forschungsgruppe Klima und Umwelt, die sich unter anderem auf Bergregionen spezialisiert hat.

SRF News: Wie beurteilen Sie die neue Gefahrenkarte? Was hat sich verändert?

Huggel: In der Schweiz sind wir in der glücklichen Lage, dass wir hervorragende Fachleute haben – private, aber auch bei den Kantonen und beim Bund. Das, was ich gesehen habe, das sind sehr sorgfältig gemachte Gefahrenkarten. Sie bilden die Situation gut ab.

Die rote Zone, in der man nicht bauen darf, hat sich stark ausgeweitet.

Was neu ist in der Karte sind die Ablagerungen des Felssturzes. Auf denen kann man nicht bauen und sie sind gefährdet von weiteren möglichen Stürzen beim Nesthorn. Das heisst: Die rote Zone, in der man nicht bauen darf, hat sich stark ausgeweitet. Andererseits sieht man in der Gefahrenkarte auch, dass im Lötschental die grösste Fläche an roter Zone von möglichen Schneelawinen abhängt – im Winter sind sehr viele Flächen davon betroffen.

Eine Karte von Blatten mit verschiedenen Zonen, vieles ist rot.
Legende: Die neue Gefahrenkarte von Blatten zeigt: Grosse Teile der Gemeinde liegen in der roten Zone. Aber gerade in grösseren Teilen von Blatten Dorf (blau) darf wieder gebaut werden. SRF

Die Reaktionen auf die neue Gefahrenkarte fallen zunächst positiv aus. Weshalb?

Die Karte zeigt auf der positiven Seite, dass es Flächen gibt, die man potenziell bebauen kann, die nicht unmittelbar gefährdet sind. Das ist nun eine gute Planungsgrundlage, um zu schauen, was effektiv möglich ist. Die Herausforderung ist jetzt, Standorte für Bebauungen zu bestimmen, bei denen man sagen kann, dass sie auch noch in 50 oder 100 Jahren genug sicher sind.

Zwischen der Abschätzung der Gefahren und den Wiederaufbauplänen – was steht nun an? Welche Rolle spielt die Politik?

Viele Prozesse sind eingespielt, aber in Blatten gibt es Dinge, die den Rahmen sprengen. Normalerweise gibt es eine enge Zusammenarbeit zwischen Gemeinde, Kanton und Bund – zum Beispiel bei den Schutzbauten. Jetzt ist die Frage aber: Wer zahlt das alles? Das ist überhaupt noch nicht klar.

Man hat Angst, dass die Leute davonlaufen, dass die Gemeinschaft auseinanderfällt.

Im Unterschied zu Brienz, wo noch nichts zerstört wurde, ist in Blatten das «Positive», dass man einen guten finanziellen Teil an die Versicherungen auslagern konnte – allerdings nicht die Landflächen und die ganze Strasseninfrastruktur. Dort stehen noch sehr aufwendige Prozesse über die nächsten Jahre an. Weiter ist die grosse Herausforderung der Wiederaufbau. Die Behörden wollen dies sehr, sehr stark vorantreiben. Aus meiner Interpretation heraus auch, weil man Angst hat, dass die Leute davonlaufen, dass die Gemeinschaft auseinanderfällt. Ich denke, das ist nicht völlig abwegig.

Ist Blatten auch eine Chance für die Zukunft, für sicheres Leben in den Alpentälern?

Blatten hat das Potenzial das zu sein, ja. Solche Situationen wird man in Zukunft häufiger haben – Wiederaufbau und Umsiedlungen. Man müsste die Perspektive jetzt einfach noch ausweiten: Wie kann man nachhaltig bauen unter den dynamischen Veränderungen durch den Klimawandel? Was bedeutet das für den Tourismus? Und so weiter.

Es lohnt sich, nicht zu hetzen.

Die Katastrophe an sich ist schrecklich. Aber es ist eine fantastische Gelegenheit aus Blatten einen Modellfall zu machen, auch über die Schweiz hinaus – ein Beispiel für andere. Deshalb lohnt es sich, den Weg sorgfältig zu gehen, die Menschen mitzunehmen, Teilhabe zu schaffen und nicht zu hetzen.

Das Gespräch führte Leonard Flach.

Mehr dazu in «10 vor 10»

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Sendelogo der «10vor10»-Serie zu Hochhäusern

Mehr dazu sehen Sie heute Abend um 21:50 Uhr auf SRF 1 oder Play SRF.

Schweiz aktuell, 7.11.2025, 19 Uhr ; 

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