Tränen? Stockende Stimme? Emotionale Gesten? Nicht bei Angela Merkel. Ihre Rücktrittsankündigung ist so trocken wie altes Brot. Nüchternheit und Bedeutung des Auftritts stehen in krassem Widerspruch: An diesem Tag enden 18 Jahre CDU-Vorsitz, das Ende einer bisher 13 Jahre dauernden Kanzlerschaft bricht an. Und möglicherweise endet auch der zuletzt links-liberale Kurs der CDU.
Als Angela Merkel im Jahr 2000 zur Vorsitzenden der Partei gewählt wurde, war die CDU noch eine ganz andere: Konservativ, rechts, männlich – und in der Opposition. Das sollte sich mit der 46-jährigen, protestantischen Pfarrerstochter aus der DDR ändern.
Zielstrebig weg von rechts
Spätestens mit der Wahl zur Bundeskanzlerin 2005 und dem Einzug ins Kanzleramt hatte Merkel die Partei im Griff. Freundlich im Auftreten, oft farblos in der Wortwahl trieb sie die CDU in den folgenden Jahren beharrlich weg von rechts – in Richtung Mitte, liberal und sozial. Durchaus mit Erfolg.
Bis zum Jahr 2015, dem Jahr der Flüchtlingskrise, Merkels Schicksalsjahr. Aus humanitären Gründen lässt die Kanzlerin gegen eine Million Flüchtlinge ins Land.
Die «Willkommenskultur» lässt Merkels Umfragewerte drastisch sinken. In der CDU beginnt es zu rumoren. Auch von der Schwesterpartei CSU kommt harsche Kritik. Merkels Flüchtlingspolitik ist der augenfälligste Ausdruck ihrer sozial-liberalen Haltung, aber längst nicht der einzige.
Abschaffung der Wehrpflicht und Atomausstieg
Unter Angela Merkel hat Deutschland 2011 gegen Proteste von rechts die obligatorische Wehrpflicht abgeschafft.
Ebenfalls 2011 – unter dem Eindruck der Nuklearkatastrophe von Fukushima – beschloss Deutschland als erste grosse Industrienation den Ausstieg aus der Atomenergie.
Der Druck von rechts ist gross
2014 boxte Merkel gegen den Widerstand der deutschen Wirtschaft den Mindestlohn durch. Und 2017 wurde auf ihren Anstoss hin die Homo-Ehe eingeführt – zum Entsetzen christlich-konservativer Kreise. Dass Merkel in der Abstimmung im Bundestag dagegen stimmte, war ein kurioser Nebenaspekt.
Dass der oder die neue CDU-Vorsitzende Merkels Politik weiterführt, ist wenig wahrscheinlich. Zu gross ist der Druck von rechts, zu sehr nagen die Erfolge der rechts-nationalen AfD an der einst mächtigen CDU.
Wer übernimmt Merkels Nachfolge in der CDU?
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Bild 1 von 6Legende: Der 56-jährigen CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer geben viele in der Partei die besten Chancen, Merkel zumindest als Parteichefin zu beerben. Die frühere saarländische Ministerpräsidentin gilt auch als Favoritin Merkels. Reuters
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Bild 2 von 6Legende: Einen Tag nach dem Verzicht Merkels auf den Parteivorsitz hat Friedrich Merz seine Kandidatur offiziell angemeldet. Er wurde 2002 von Merkel von der Spitze der CDU/CSU-Fraktion verdrängt und hatte darauf eine Debatte über eine deutsche Leitkultur angeschoben. Der 62-jährige Merz gilt als Finanzexperte und Wertekonservativer. Keystone
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Bild 3 von 6Legende: Der 38-jährige Jens Spahn hat sich in den vergangenen Jahren immer wieder als konservativer Kritiker Merkels profiliert. In der Partei wird dem ehrgeizigen Gesundheitsminister aus dem westfälischen Ahaus angekreidet, dass er mit Äusserungen wie etwa in der Flüchtlingspolitik zu stark polarisiert habe. Keystone
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Bild 4 von 6Legende: Als Vorsitzender des stärksten CDU-Landesverbandes Nordrhein-Westfalen könnte Armin Laschet schon qua Amt einen Anspruch auf den Vorsitz der Bundespartei anmelden. Der 57-jährige Aachener gilt bisher als loyaler Stellvertreter Merkels in der Bundes-CDU. Keystone
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Bild 5 von 6Legende: Für den früheren Bundesinnen- und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble wäre es die Krönung seiner politischen Laufbahn, könnte er Merkel als Bundeskanzler ablösen – wenn auch wohl nur als Übergangslösung. Der 76-Jährige wurde nach der Bundestagswahl 1998 Parteichef, musste aber im Zuge der CDU-Spendenaffäre im Jahr 2000 seine Ämter niederlegen. Reuters
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Bild 6 von 6Legende: Der 45-jährige Daniel Günther, Ministerpräsident aus Schleswig-Holstein, gilt vor allem für jene CDU-Anhänger als Hoffnungsträger, die sich eher in der politischen Mitte oder sogar eher links einordnen. Dieser Umstand dürfte es ihm jedoch schwer machen, von einer breiten Mehrheit zum Bundesvorsitzenden der CDU gewählt zu werden. Keystone