Drei Wochen lang verhandelten die damaligen Präsidenten Bosnien Herzegowinas, Serbiens und Kroatiens unter Aufsicht der USA über ein Ende des Krieges. Herausgekommen ist das wohl komplizierteste Staatssystem der Welt. Janis Fahrländer, SRF Korrespondent im Balkan, gibt einen Einblick, wie der Dayton-Vertrag das Land bis heute formt.
Was ist das für ein Vertrag?
Der Vertrag legt die staatliche Ordnung Bosnien Herzegowinas fest. Konkret wurde das Land in zwei Entitäten geteilt. Eine mehrheitlich von muslimischen Bosniaken und katholischen Kroaten bewohnte Föderation und eine mehrheitlich serbisch-orthodox geprägte Republik. Die beiden Landesteile verfügen über eine hohe Eigenständigkeit. Der Zentralstaat hat dagegen nur wenige Kompetenzen. Regiert wird dieser von einem dreiköpfigen Präsidium, jeweils bestehend aus einem kroatischen, einem bosniakischen und einem serbischen Mitglied. Zusätzlich wurde die Position des Hohen Repräsentanten geschaffen. Dieser wird von der internationalen Gemeinschaft entsandt und überwacht die Umsetzung des Dayton-Vertrages. Er hat dabei eine grosse Machtfülle, kann Politiker absetzen oder Gesetze erlassen.
Wie prägt der Vertrag das Land bis heute?
Dayton schuf einen enormen Bürokratieapparat. Beide Entitäten haben eigene Regierungen, dazu kommen zehn Kantone innerhalb der Föderation, ebenfalls mit eigenen Regierungen und Parlamenten. Darüber schweben noch die gesamtstaatlichen Institutionen. Auf verschiedenen Ebenen gibt es Veto-Mechanismen. Das System ist nicht nur kompliziert, es macht den Staat auch ineffizient, Zuständigkeiten sind oft unklar. Das Land befindet sich dadurch in einer Dauerblockade.
Welche Probleme hat Dayton geschaffen?
Der Vertrag betont die Unterschiede zwischen den Völkern. Öffentliche Ämter müssen einem festen Schlüssel entsprechend an die drei Volksgruppen verteilt werden. Dadurch haben sich Parteien gebildet, die sich nur als Vertretung ihrer jeweiligen Ethnie betrachten. Eine gemeinsame bosnische Identität hat sich dagegen nicht durchgesetzt. Auch ist es aus demokratischer Sicht fragwürdig, dass ein von der internationalen Gemeinschaft ernannter, statt vom Volk gewählter Beamte, die meiste Machtfülle im Land hat. Das aufgeblähte Verwaltungssystem verschlingt dazu einen Grossteil des öffentlichen Budgets.
Gibt es Reformbestrebungen?
Nein, dabei wären sie dringend nötig. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrmals festgestellt, das System verstosse gegen Grundrechte. So können Person, die keiner der drei Volksgruppen angehören, nicht in gewisse Ämter gewählt werden. Ohne eine Reform ist ein EU-Beitritt nicht möglich. Das System untergräbt zudem die Glaubwürdigkeit der Politik. Eine Umfrage unter den Bevölkerungen aller EU-Beitrittskandidaten hat ergeben, dass die Menschen nirgendwo unzufriedener und pessimistischer sind als in Bosnien. Doch die grossen, ethno-nationalistischen Parteien profitieren vom derzeitigen System und wollen es daher nicht verändern.