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30 Jahre Demokratie Wahlen in Tschechien: Der Fürst verlässt die Politbühne

Bei den Wahlen in Tschechien fehlt ein grosser Name: Karel Schwarzenberg. Der «Knize», der Fürst, wie sie ihn in Tschechien nennen, tritt bei dieser Wahl nicht mehr an.

Karl Johannes Nepomuk Joseph Norbert Friedrich Antonius Wratislaw Mena, Fürst zu Schwarzenberg, Herzog zu Krumau, Graf zu Sulz, gefürsteter Landgraf im Klettgau: Wer so adlig ist, der passt eigentlich schlecht zu einer frisch erkämpften Demokratie.

Dem ersten frei gewählten Präsidenten der Tschechoslowakei, Vaclav Havel, war das egal, wie Schwarzenberg in seinem Stammcafé sagt: «Noch am Tag, an dem der Präsident gewählt wurde, hat er mich aufgefordert, mitzuarbeiten. So war ich plötzlich ein Beamter.»

Schwarzenberg mit Pfeife
Legende: Mit dem 83-Jährigen verlässt eine prägende Figur die tschechische Politik: Karel Schwarzenberg war Bürochef von Vaclav Havel, dem ersten demokratisch gewählten Präsidenten. Schwarzenberg war zweimal Aussenminister und 17 Jahre lang Parlamentarier. Keystone

Schwarzenberg wurde Leiter des Büros des Staatspräsidenten, wurde nach gut 40 Jahren im österreichischen Exil unmittelbar ins Zentrum der tschechischen Politik katapultiert. Schon vom Exil aus hatte er Dissidenten rund um Havel unterstützt und war immer wieder in seine Heimat gereist. Doch er sagt: «Ich musste mein eigenes Land erst wieder kennenlernen. Ich wusste aus Österreich, dass Emigranten schon nach zwei Jahren keine Ahnung mehr haben, wie ihr Land funktioniert.»

Fluch und Segen der Abstammung

Auch deshalb kandidierte der Fürst erst später selbst als Politiker. Ab 2004 sass er für verschiedene konservative Parteien im Parlament, war zweimal Aussenminister und wollte vor acht Jahren Präsident werden. Doch der heutige Amtsinhaber Milos Zeman holte mehr Stimmen.

Seine adlige Herkunft und der Reichtum seien dabei Vor- und Nachteil gewesen, so Schwarzenberg. «Ich habe zugegebenermassen einen Namen gehabt, der im ganzen Land bekannt ist. Das war ein Vorteil. Doch andere sagten, es sei unmöglich, dass einer wie ich Präsident wird.»

Nun tritt der Fürst von der Politbühne ab. Am Tischchen der Cafés in der Prager Innenstadt lehnt eine Krücke, die Füsse sind so aufgedunsen, dass sie nur noch in schwarze Plastiksandalen passen. Der 83-Jährige wirkt gebrechlich und müde. Ausser wenn er darüber spricht, was sich in Tschechien in den letzten Jahrzehnten alles zum Guten gewandelt hat.

Babis und Schwarzenberg – politische Widersacher

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Vor der zweitägigen Parlamentswahl in Tschechien, die am Samstagnachmittag zu Ende geht, führte der 67-jährige Andrej Babis in den Umfragen. Er werde Tschechien auch nach den Wahlen regieren, glaubt Schwarzenberg.

Für den Fürsten wäre das bitter. Denn Babis ist in vielem das politische Gegenteil von ihm. Zum Beispiel setzte sich Schwarzenberg stets für eine starke EU ein, Babis hingegen schimpft über «Brüssel», wo immer er kann.

Schwarzenberg fordert tiefere Staatsausgaben, Babis will die Renten erhöhen. Und vor allem sieht Schwarzenberg den Regierungschef als grösstes Hindernis für die Erfüllung seines wichtigsten Anliegens: «Dass wir wieder ein zivilisierter und kultivierter Rechtsstaat sind.»

«Wenn Sie vor 40 Jahren durch dieses Land gefahren sind, war die dominierende Farbe Grau.» Heute seien die Häuser renoviert, strahlen in frischen Farben, es gibt Wirtshäuser und Geschäfte. «Das Land lebt.» Insgesamt ist er aber ernüchtert von der Entwicklung Tschechiens. «Die Inexistenz eines wirklichen Rechtsstaats stört mich am meisten.»

Elefant mit zweifelhafter Geschichte

Sinnbild dafür ist Regierungschef Andrej Babis, mächtigster Politiker und einer der reichsten Geschäftsleute Tschechiens. «Die Kombination dieser Eigenschaften macht ihn wirklich zu einem Elefanten.» Zu einem mit einer zweifelhaften Geschichte: «Wenn man in so kurzer Zeit ein so grosses Vermögen ansammelt, stellen sich immer gewisse Fragen.»

Babis war bei der Staatssicherheit und ist nach der Wende sehr rasch sehr reich geworden. Woher das Geld kam, weiss man bis heute nicht. Diesem Reichtum habe Babis seine Macht zu verdanken, glaubt Schwarzenberg. Und als Regierungschef vermische er nun politische Macht und Geschäftsinteressen. «Wer Ministerpräsident ist, Chef der stärksten Partei und vielfacher Milliardär, hat auch in einer Demokratie eine so starke Stellung, dass man das berücksichtigen muss.»

Babis umarmt Orban
Legende: Schimpft gerne über Brüssel: Andrej Babis, links, mit Ungarns Premier Viktor Orban. Keystone/Archiv

Nach den Wahlen wird der Fürst nicht mehr im Abgeordnetenhaus sitzen. Der Mann, von dem seine Ehefrau sagt, die Politik sei sein Lebenselixier, wird sich wieder mehr um seine Schlösser und Ländereien kümmern, seine Gesundheit und seine Enkel. Aber, sagt der Fürst zum Abschied, er werde sich weiterhin zur tschechischen Politik äussern. «Ich werde mich nach wie vor betätigen. Ohne Lebenselixier kann man nicht leben.»

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Echo der Zeit, 08.10.2021, 18:00 Uhr

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