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50 Grad in Südasien erwartet Frühe Hitzewelle überrollt Indien und Pakistan

Hitze ist man sich in Südasien gewohnt. Doch die hohen Temperaturen erreichen neue Rekordwerte – schon früher als üblich.

Es ist heiss in Indien und Pakistan. Vor allem im Norden Indiens steigen die Temperaturen auf Werte, die normalerweise erst im Sommer erreicht werden. An gewissen Orten ist es bereits über 45 Grad heiss. Meteorologinnen und Meteorologen erwarten, dass am Wochenende die 50-Grad-Marke geknackt wird. Und das, nachdem es schon im März so heiss war wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen vor über 120 Jahren.

Wirklich abkühlen kann sich der Körper nur schwierig, denn bereits am Morgen sei es schon sehr warm, sagt Natalie Mayroth. Sie ist freie Journalistin und momentan in Delhi. «Man verlässt morgens den Raum ohne Klimaanlage und spürt einfach diese Wärme, die einem entgegenkommt.» Für den Freitag würden 46 Grad gemeldet.

Ein täglicher Kampf gegen die Hitze

Die Menschen in den betroffenen Regionen entwickeln ihre Strategien, um mit der Hitze klarzukommen. Wer könne, verlasse das Haus, nur wenn nötig oder wenn möglich mit einem Auto mit Klimaanlage. In Delhi habe die Regierung den Firmen geraten, ihre Mitarbeitenden nicht ins Büro zu schicken. Wer draussen arbeite, solle Schutz im Schatten suchen oder Pausen machen.

Die meisten Haushalte hätten zwar Deckenventilatoren, so Mayroth. Nur würden diese bei solch hohen Temperaturen kaum noch ausreichen. Und sie brauchen Energie. Da hilft nur: trinken. Kokosnusswasser, Wasser mit Salz und Zucker, Flüssigkeit durch Wassermelonen.

Mädchen sitzt unter einem Schirm hinter einer Kühlbox mit Wasserflaschen.
Legende: Viele Menschen in Indien und Pakistan versuchen, sich unter Schatten spendenden Tüchern und Schirmen zu schützen und tragen helle, dünne Kleidung. Reuters

In diese Hitzewelle fällt zudem die Fastenzeit. «Indien hat fast 200 Millionen Musliminnen, von denen viele fasten», sagt die Journalistin. Die Behörden sprächen Hitzewarnungen aus, die Ärzte seien in Alarmbereitschaft.

In einigen Regionen, beispielsweise im Norden Indiens, seien die Belastungen noch grösser. Denn im Norden sei es sehr trocken. «Dann besteht auch die Gefahr, dass der Körper das nicht packt», so Natalie Mayroth. 

Ein Mann geht an einer leicht brennenden Mülldeponie vorbei.
Legende: Angesichts der Hitze sind bereits Brände ausgebrochen. Betroffen war beispielsweise eine Mülldeponie in Delhi. Reuters

Nicht nur auf den Menschen, sondern auch auf die Natur und die Landwirtschaft hat das heisse Wetter Einfluss. So gebe es bereits Warnungen, dass die Ernte in diesem Jahr betroffen sein werde.

Indien baut viel Reis und Weizen an, plant, mehr zu exportieren. Die Prognosen seien nun zurückgegangen. «Wenn es schneller heiss ist, dann sind Früchte, die früher reif werden, kleiner. Die Landwirte müssen auch schauen, dass ihnen das Getreide nicht verdorrt», so Mayroth. Die Situation könne gerade für kleine Landwirtinnen schwierig werden.

Silhouetten von Männern tragen Getreidesäcke.
Legende: Die Lebensmittel sind bereits wegen steigender Ölpreise teurer geworden. Eine schlechte Ernte ist ein weiterer Faktor. Keystone

Solche Extremereignisse nehmen mit dem Klimawandel zu. Eine Initiative der indischen Regierung sei die Wiederaufforstung, erklärt die Journalistin im Norden Indiens. Dabei spiele es aber eine Rolle, ob Wald aufgeforstet werde oder ob es sich um Plantagen handele. Denn diese werden an einem gewissen Punkt auch wieder abgeholzt. Und: «Je heisser es ist, desto mehr Wasserverbrauch haben sie. Und das wirkt sich dann wieder auf die Landwirtschaft aus.»

ETH-Klimaforscher ordnet Extremereignis ein

Box aufklappen Box zuklappen
Strassenbezeichnungen auf dem Boden verschmelzen wegen der Hitze.
Legende: Auch die extremen Hitzewellen von 2015 und 2019 traten erst Mitte Mai bis Mitte Juni auf. Keystone

Laut dem Klimaforscher Erich Fischer treten solche hohen Temperaturen normalerweise erst im Juni ein und nicht bereits im April. In den nächsten Tagen dürfte es noch heisser werden. Die Häufigkeit solcher Ereignisse habe in der Vergangenheit bereits zugenommen. «Der im letzten Jahr publizierte Weltklimabericht zeigt, dass Ereignisse, wie wir sie früher nur alle 50 Jahre erwartet haben, heute schon fünfmal häufiger auftreten und bei einer globalen Erwärmung von zwei Grad bis zu 14-mal häufiger auftreten dürften», erklärt Fischer. In Zukunft dürften solche Hitzewelle gar zur Normalität werden, Daten dazu würden aber noch gesammelt.

Anpassen könnten sich die Menschen aber nur bedingt, gerade in Regionen wie Pakistan und Indien, wo die Hitze oft mit hoher Feuchtigkeit einhergehe. «Was wir im Schweizerdeutschen ‹tüppig› nennen, ist für die Gesundheit eine besondere Herausforderung, weil sich der Körper nicht mehr so gut abkühlen kann», sagt der ETH-Forscher.

Ohne künstliche Kühlung könnte eine Anpassung schwierig werden. Die Grenzen der menschlichen Anpassung ohne künstliche Kühlung liegt laut Fischer bei 35 Grad bei 100 Prozent relativer Feuchte. «Wir haben in den Regionen Nordindien, Pakistan, aber auch entlang dem Persischen Golf schon mehrere Male ähnliche Bedingungen beobachtet. Mit zunehmender Erwärmung, auch der Ozeane, nimmt das Risiko von solchen Bedingungen, die ein Limit der Anpassung darstellen, immer mehr zu», befürchtet Erich Fischer.

Weiter setze Indien beim Thema Energie auf Solar. «Der weltgrösste Solarpark wird in Indien gerade gebaut, so hat es die Regierung genannt. Indien möchte auf die Produktion von grünem Wasserstoff setzen.» Das sei zwar positiv, schätzt Mayroth. «Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, dass die Kohleverstromung angehoben wurde. Und das sind natürlich Faktoren, die den Klimawandel beschleunigen.»

SRF 4 News, 29.04.2022, 6:20 Uhr ; 

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