Sie habe Angst gehabt, damals anfangs April 1968, erzählt Gretchen Dutschke. Und sie habe ihrem Mann wegen der angespannten Lage auf den Strassen vorgeschlagen, Deutschland zu verlassen. «Aber Rudi wollte nicht. Was sollte ich denn machen?», fragt die 76-jährige Witwe von Rudi Dutschke.
Konfrontation mit der Vergangenheit
50 Jahre nach dem Attentat auf ihren Mann steht sie in der polizeihistorischen Sammlung von Berlin. Sie schaut sich die drei Pistolenprojektile an, welche den Kopf und die Schulter ihres Mannes durchbohrt haben. Daneben ein kleines Foto des Täters. Ein junger blonder Mann. Josef Bachmann.
«Die Polizei fand Hitler-Bilder beim Täter», steht über dem Zeitungsbericht neben dem Foto. Ein Rechtsextremer hatte auf den charismatischen Studentenführer geschossen.
Gretchen Dutschke schaut sich die Ausstellungsstücke ruhig an. Sie habe Frieden geschlossen mit dem, was am 11. April 1968 geschehen war, erzählt die Theologin. Ihr Mann hatte das Attentat mit schweren Hirnverletzungen überlebt, starb aber elf Jahre später an den Spätfolgen des Anschlags. Er erlitt einen epileptischen Anfall in der Badewanne und ertrank.
Von der «Bild»-Zeitung angestachelt
Die Berliner Polizei zeigt am 50. Jahrestag des Attentats Polizeifotos und Skizzen vom Tatort: Vom Kurfürstendamm 101, wo sich der Protest der Studenten formierte, und wo sie diesen Protest auf die Strasse trugen.
Zeitungsausschnitte von damals sind daneben ausgelegt. Es sind Artikel der Axel-Springer-Presse, welche im April 1968 zum Protest gegen die demonstrierenden Studenten aufrief. «Man darf die Arbeit nicht nur der Polizei überlassen», so der Titel eines Berichts der «Bild»-Zeitung.
«Gewalt war nicht unser Ziel»
Deshalb hat sich die Wut der Studenten nach dem Attentat nicht nur auf den Täter, sondern vor allem auch auf die Axel-Springer-Presse gerichtet. Redaktionsräume wurden verwüstet, in Berlin, in New York, in Amsterdam.
Dem Attentat auf Rudi Dutschke folgten mit den Osterunruhen die heftigsten Demonstrationen und Strassenschlachten des Frühlings 1968. «Das Positive war, dass sich nach dem Attentat viele Menschen mit uns verbündet haben», sagt Gretchen Dutschke. «Negativ war, dass viele zu Gewalt griffen und sich im Untergrund organisierten. Das war nicht unser Ziel.»
Zum Jahrestag hat Gretchen Dutschke ein Buch über sich und ihren Mann geschrieben – den Marxisten und Weltverbesserer, über ihren gemeinsamen Kampf gegen Kapitalismus, Krieg und Nazis, für Demokratie, für die Gleichheit aller.
Was die 68er angestossen haben, hat die Demokratisierung der Gesellschaft bewirkt.
«Worauf wir stolz sein können» lautet der Titel des Buches, in weissen Buchstaben über einem schwarz-weissen Foto von Gretchen und Rudi Dutschke. «Stolz bin ich, dass Deutschland heute ein Land ist, in dem Demokratie tief in den Seelen der Menschen ist. Das, was die 68er angestossen haben, hat die Demokratisierung der Gesellschaft bewirkt.»
Es ist eine letzte Würdigung ihres Mannes und des Kampfes, den sie gemeinsam geführt haben. Er hat diesen mit seinem Leben bezahlt.