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Abkommen unterzeichnet Zellen in Kosovo für Häftlinge aus Dänemark – der Hintergrund

Dänemark schickt wohl bald verurteilte Straftäterinnen und Straftäter in den Kosovo. Sie sollen ihrer Strafe dort in einem Gefängnis absitzen. Das Parlament in Kosovo hat einem Abkommen zur Vermietung von 300 Gefängniszellen an Dänemark deutlich zugestimmt. SRF-Nordeuropa-Mitarbeiter Bruno Kaufmann ordnet ein.

Bruno Kaufmann

Nordeuropa-Korrespondent

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Bruno Kaufmann berichtet seit 1990 regelmässig für SRF über den Norden Europas, von Grönland bis Litauen. Zudem wirkt er als globaler Demokratie-Korrespondent beim internationalen Dienst der SRG mit.

Was macht das Abkommen besonders?

Es ist das erste Abkommen dieser Art. Ausserdem geht es nicht darum, einfach in einem Nachbarstaat – Dänemark und Kosovo liegen rund 1500 Kilometer voneinander entfernt – kurzzeitig Gefängnisplätze anzumieten. Es ist auf lange Zeit angelegt – nämlich für zehn Jahre. Und es beinhaltet Massnahmen zur Förderung des Strafsystems in Kosovo. Dänemark wird in die dortigen Gefängnisse investieren.

Zu wenig Platz in den eigenen Gefängnissen

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In Dänemark wurde das Strafgesetz in den letzten Jahren von sehr liberal auf sehr repressiv umgestellt, wie Bruno Kaufmann erklärt. Über 100 Verschärfungen wurden vom Parlament angenommen. Das hat die Zahl der Häftlinge stark erhöht. Aber auch die Länge der Haftstrafen wurde verlängert. Gleichzeitig wurden in den letzten Jahren die Investitionen in die Gefängnisse heruntergefahren. In gewissen Gefängnissen gibt es heute doppelt so viele Insassen, aber nur noch halb so viel Personal.

Warum in Kosovo?

Das ist eher zufällig. Bei einem Besuch des dänischen Migrationsministers in Kosovo vor einigen Jahren sah er, dass es dort Infrastruktur gibt, die zwar nicht in gutem Zustand ist, aber auch nicht stark genutzt. Gleichzeitig strebte Kosovo danach, sich international besser aufzustellen, Vereinbarungen zu treffen. So kam Kosovo mit Dänemark ins Geschäft.

Was sind die Beweggründe der dänischen Regierung, ein solches Abkommen zu schliessen?

Man sieht hier klar: Es geht hier um die Politik der sozialdemokratischen Regierung, auch Härte zu zeigen. Sie will zeigen, dass sie vor allem gegen ausländische Häftlinge vorgehen kann. Deshalb ist das Projekt auch darauf angelegt, dass Häftlinge, die im Kosovo ihre Strafe absitzen, nachher nicht nach Dänemark zurückkehren können. Sie sollen also in ihrem Heimatland oder im Ausland bleiben müssen. Damit ist die Regierung bisher gut gefahren, weil sie sowohl die Opposition auf der Linken wie auf der Rechten gespalten hat. Beide Seiten üben Kritik. Für Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ist das Projekt, auch wenn es nicht gelingen sollte, bisher ein Erfolg.

Wie sind die Reaktionen?

Es hagelt sehr viel Kritik: von der UNO, vom Europarat, auch von vielen Menschenrechts­organisationen und von Parteien in Dänemark und im Kosovo. Man sieht viele Probleme. Zum Beispiel, wenn es um die Qualität des Haftvollzugs in Kosovo geht, auch um die Investitionen, die damit verbunden wären. Die Gefängnisplätze im Kosovo werden teurer sein als jene in Dänemark.

Was sind weitere Kritikpunkte?

Dass die Rechtssicherheit nicht immer gewahrt ist. So können Häftlinge, die im Ausland inhaftiert sind, den Kontakt zu ihren Familien nicht auf gleiche Art und Weise aufrechterhalten, wie wenn sie dort in Haft sind, wo auch ihre Familien leben. Das bedeutet für Dänemark, dass es mit Flugzeugen Angehörige in den Kosovo bringen muss. Das wird also sehr aufwendig.

Frau an Mikrophon.
Legende: Ministerpräsidentin Mette Frederiksen spaltet mit dem Projekt erfolgreich die Opposition und kann sich auch als Sozialdemokratin als harte Kämpferin gegen Ausländerkriminalität zeigen. Keystone/EPA/IDA MARIE ODGAARD

Wird das dänische System durch die Auslagerung von Häftlingen überhaupt entlastet?

Nein. Das tut es mit 300 zusätzlichen Plätzen nicht wirklich. Von über 10'000 zu Haftstrafen verurteilten Personen steht mehr als die Hälfte unter Überwachung, 4000 sitzen gemäss den Haftbehörden ein. Zudem herrscht Personalnotstand. Auch die Gewerkschaften der Gefängnismitarbeitenden sagen, dass ein solches Projekt nichts ändere.

Wie steht es um die Zukunft des Projekts?

Es ist unklar, ob die Umsetzung des Abkommens wirklich gelingt. Man rechnet damit, dass es etwa zwei Jahre dauert, bis das geplante Gefängnis südlich von Pristina bereit ist. Und bis dann gibt es weitere rechtliche Hürden zu überwinden. Ganz sicher, dass das Projekt wirklich zustande kommt, ist nicht einmal der dänische Justizminister.

SRF 4 News, 24.05.2024, 10:05 Uhr ; 

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