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Abschluss des Brics-Gipfels Der Westen gerät immer stärker unter Druck

Klimaschutz, bessere Gesundheitssysteme, neue Transportkorridore, Gleichberechtigung: all das und noch viel mehr haben sich die Brics-Mitglieder Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika auf die Fahne geschrieben. Sie wollen gemeinsame Probleme gemeinsam angehen und weltpolitisch mehr Gehör finden. Gegen einen solchen Schulterschluss lässt sich wenig sagen. 

Tatsache aber ist, dass vielfach den Worten kaum Taten folgen. Als konstruktive Kraft hat die Brics-Gruppe, bestehend aus Diktaturen und Demokratien, bisher enttäuscht. Es mangelt an Einigkeit. Die Brics überschätzen sich gern. 

Bemerkenswerte Anziehungskraft der Brics

Umgekehrt unterschätzen westliche Regierungen den Club der Schwellenländer. Gerade der russische Krieg gegen die Ukraine zeigt, wie wirksam die Brics dem Westen die Stirn bieten können, indem sie Moskau helfen, die Sanktionen zu unterlaufen. Bemerkenswert ist auch die Anziehungskraft der Brics. Sechs Neumitglieder gibt es ab 2024: Ägypten, Argentinien, Äthiopien, Iran, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate. Weit über ein Dutzend weitere Länder klopfen an die Tür. 

Westliche Beobachter stellen jeweils die rhetorische Frage: Will jemand einer von Diktaturen wie China und Russland angeführten Vereinigung angehören? Sie erwarten als Antwort ein entschlossenes Nein. Doch zahllose Regierungen antworten heute mit einem klaren Ja. Ob das auch für die Bevölkerung dieser Länder gilt, ist eine andere Frage. 

Nächster Gastgeber: Kriegsherr Putin

Das autoritäre chinesische Modell, ja selbst die Nähe zum Unrechtsstaat Russland wirkt also für viele keineswegs abschreckend. So protestierte niemand, als Russland ankündigte, kommendes Jahr den Brics-Gipfel auszurichten. Die Brics-Führer werden sich also brav zu Gastgeber und Kriegsherr Wladimir Putin begeben.

Und wenn die Machthaber in Peking und Moskau derzeit dem Westen ständig Neokolonialismus vorwerfen, weist niemand sie darauf hin, wie neokolonialistisch und imperialistisch sie selber sich verhalten – China in Tibet und gegenüber Taiwan, Russland in Teilen Georgiens, Moldawiens und gegenüber der Ukraine. Und der lange geforderten Reform des UNO-Sicherheitsrates, welche die heutige Welt besser abbilden soll, stehen keineswegs nur die westlichen Vetomächte entgegen, sondern mindestens ebenso China und Russland – auch das wird ausgeblendet. 

Sechs Politiker sich die Hände schüttelnd.
Legende: Beim nächsten Brics-Gipfel werden sich beim obligaten Gruppenfoto mehr Politiker die Hände schütteln. IMAGO/Archiv/GIANLUIGI GUERCIA

Die Brics treten derzeit nicht primär konstruktiv, sondern konfrontativ auf. Ihr aktuelles Hauptziel ist – geprägt von chinesischen Ambitionen – die Rebellion gegen den Westen. Ihm soll die Führungsrolle in der Welt entrissen und eine andere Weltordnung soll durchgesetzt werden. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechte stehen dabei nicht im Zentrum. 

Der Westen hat sich das durchaus selber zuzuschreiben: Zu lange trat er gegenüber dem Rest der Welt belehrend, hochmütig und heuchlerisch auf und gestand seine Fehler kaum je ein. Nun erhält er die Quittung. Mit dieser neuen Situation umzugehen und einen vernünftigen Umgang zu finden mit der gestärkten Brics-Gruppe – das ist eine gewaltige Herausforderung.

Fredy Gsteiger

Diplomatischer Korrespondent

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Fredy Gsteiger ist diplomatischer Korrespondent und stellvertretender Chefredaktor bei Radio SRF. Vor seiner Radiotätigkeit war er Auslandredaktor beim «St. Galler Tagblatt», Nahost-Redaktor und Paris-Korrespondent der «Zeit» sowie Chefredaktor der «Weltwoche».

Hier finden Sie weitere Artikel von Fredy Gsteiger und Informationen zu seiner Person.

Info3, 24.08.2023, 17:00 Uhr

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