Vielleicht hat Willem-Alexander, der König der Niederlande, den Nato-Gipfel gerettet. In seiner Residenz in Den Haag durfte US-Präsident Donald Trump übernachten. Mit ihm und der Königin hat er gefrühstückt. Woraufhin Trump gut gelaunt wie selten auf dem Spitzentreffen erschien.
Dessen Ergebnis empfinden der US-Präsident selbst, Nato-Generalsekretär Mark Rutte oder der deutsche Bundeskanzler Friedrich Merz als historisch. Tatsächlich ist die Entscheidung bedeutsam, fünf Prozent der Wirtschaftsleistung aller Mitgliedsländer für Sicherheit und 3.5 Prozent direkt für die Streitkräfte auszugeben. Gewicht und Verantwortung in der Nato verschieben sich damit in den nächsten Jahren etwas weg von den USA und hin zu Europa.
Die Harmonie besteht nur vordergründig
Bei genauerem Hinsehen ist indes nicht alles so rosig und harmonisch, wie es nun offiziell dargestellt wird.
Es fängt schon beim Fünfprozentziel an: Nicht alle Staaten wollen es nämlich gleich interpretieren. Am Ende werden es auch nicht alle erfüllen.
Es geht weiter bei Artikel 5 der Nato-Satzung. Demzufolge gilt ein Angriff auf ein Mitglied der Allianz als Angriff auf alle. Das bekräftigt die Gipfelerklärung von Den Haag. Doch was nützt es, wenn Donald Trump, ist er mal schlecht gelaunt, diese Verpflichtung infrage stellt, wie er das nur Stunden vor Gipfelbeginn tat?
Für Stirnrunzeln, ja Häme, sorgt auch, dass Nato-Chef Rutte glaubt, Bückling um Bückling vor Trump machen, Loblied um Loblied singen zu müssen, um den Amerikaner bei der Stange zu halten. Wie stark ist eine Allianz, in der es quasi therapeutischer Massnahmen bedarf, damit sie nicht auseinanderfällt?
Und was ist mit der Ukraine?
Am wenigsten erreicht hat der Gipfel in Sachen Ukraine. Von gemeinsamen Hilfszusagen ist keine Rede mehr. Jedes Land soll souverän entscheiden, ob es helfen will oder nicht. Denn die USA mögen da nicht mehr mitziehen. Kein Wort auch dazu, dass die Ukraine früher oder später Nato-Mitglied werden darf. Das versprach man ihr noch auf den Gipfeln in Vilnius und Washington, jetzt nicht mehr. Auch das verhinderte Trump. Die optimistische Einschätzung zur Nichterwähnung dieser Zusage lautet: So gälten immerhin noch die früheren Beschlüsse.
Zu Putins Angriffskrieg steht ebenfalls nichts. Es heisst bloss vage, Russland sei eine langfristige Bedrohung. Selbst das hält etwa Ungarns Regierungschef Viktor Orban für übertrieben: Moskau sei zu schwach, um Nato-Staaten zu gefährden. Im Übrigen habe die Nato in der Ukraine nichts zu suchen.
Die Nato steht nach diesem Gipfel finanziell fraglos besser da, ist breiter abgestützt. Doch politisch wirkt sie eher geschwächt. Die Risse werden sichtbarer. Das ist heikel, denn die Stärke einer Allianz bemisst sich nicht nur an ihrer Feuerkraft, sondern ebenso sehr an ihrer Geschlossenheit. Nur, wenn beides da ist, funktioniert die Abschreckung.