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AKW Saporischja So ist die Schweiz auf Unfall beim AKW Saporischja vorbereitet

Experten der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA haben am Rande des Geländes des Atomkraftwerks Saporischja Minen entdeckt. Seit kurz nach Kriegsbeginn ist das grösste Atomkraftwerk Europas unter russischer Kontrolle.

Seit Monaten werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig vor, einen Anschlag auf die Anlage vorzubereiten. Die entdeckten Minen sollen gemäss einer ersten Einschätzung der IAEA selbst im Fall einer Explosion kaum riskant sein. Dennoch stellen sich Fragen zur Sicherheit des AKWs. In der Schweiz beobachtet die nationale Alarmzentrale des Bundesamts für Bevölkerungsschutz die Situation. Deren Chef Gerald Scharding nimmt Stellung.

Gerald Scharding

Chef Nationale Alarmzentrale

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Gerald Scharding ist seit über 30 Jahren für die Alarmzentrale tätig, seit acht Jahren leitet er sie.

SRF News: Bereitet Ihnen die Lage rund ums AKW Saporischja Sorgen?

Gerald Scharding: Wir sind besorgt. Es wäre furchtbar, wenn in diesem Werk etwas passieren würde, insbesondere auch für die Bevölkerung vor Ort. Aber man muss wissen, dass die Reaktoren des Werks Saporischja seit längerer Zeit heruntergefahren sind.

Die Auswirkungen wären nicht vergleichbar etwa mit den Auswirkungen von einem Ereignis wie Tschernobyl.

Somit ist die Menge von radioaktiven Stoffen, die freigesetzt werden könnte, deutlich geringer als bei einem Kernkraftwerk in Vollbetrieb. Die Auswirkungen wären nicht vergleichbar etwa mit den Auswirkungen eines Ereignisses wie Tschernobyl.

Wie überwachen Sie die Lage?

Seit Kriegsbeginn haben wir die Überwachung aller atomaren Anlagen in der Ukraine verstärkt. Wir stehen in intensivem Kontakt mit Partnern wie der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA sowie den umliegenden Ländern.

Die Schweiz ist auch Teil der europäischen Plattform zum Austausch radiologischer Daten und kann auf Daten von rund 5000 automatischen Messstationen in ganz Europa zugreifen. Zudem untersuchen wir, wie sich im Ernstfall die Radioaktivität verbreiten würde, mit sogenannten Ausbreitungsrechnungen.

Was haben diese Ausbreitungsrechnungen ergeben?

Sie haben ergeben, dass die Hauptwinde von der Ukraine her meistens nicht in Richtung der Schweiz wehen. Nur in etwa 20 Prozent der Fälle bewegen sich die Luftmassen aus der Ukraine auf mehr oder weniger direktem Weg in die Schweiz.

Selbst wenn dies der Fall wäre, gehen wir aber davon aus, dass wir eine Vorlaufzeit von mindestens zwei Tagen hätten. Auf dem Weg in die Schweiz würde sich die Luft vermischen und verdünnen – es kämen weniger radioaktive Partikel in der Schweiz an.

Wir gehen davon aus, dass es keine unmittelbaren Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung bräuchte.

Wenn bei einem Angriff auf das AKW Saporischja tatsächlich Radioaktivität freigesetzt würde, welche Massnahmen müsste die Schweiz treffen?

Wir würden zunächst Behörden und Bevölkerung informieren. Wir gehen davon aus, dass es keine unmittelbaren Massnahmen zum Schutz der Bevölkerung bräuchte. Also kein Aufenthalt im Haus oder in einem Schutzraum, ganz sicher keine Einnahme von Jodtabletten.

Die einzigen Massnahmen, mit denen wir eventuell rechnen müssten, sind Massnahmen im Bereich Lebensmittel. Dort könnte zum Beispiel ein Ernte- und Weideverbot ausgesprochen werden in den Gebieten, die am meisten betroffen sind.

Wir würden wohl auch eine intensivere Bemessung von Importgütern sicherstellen. Solche Massnahmen sind bereits unter den zuständigen Bundesämtern abgesprochen.

Das Gespräch führte Simone Herrmann.

Tagesschau, 25.07.2023, 19:30 Uhr ; 

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