In China wird es für Korrespondentinnen und Korrespondenten immer schwieriger, über das Land zu berichten. Dies zeigt eine Umfrage unter ausländischen Journalisten. Der freie Journalist Fabian Kretschmer hat bis 2024 aus China berichtet und musste dann das Land verlassen.
SRF News: Wie haben Sie die Einschränkungen der chinesischen Behörden erlebt?
Fabian Kretschmer: In Peking oder Schanghai ist es noch vergleichsweise subtil. Dort treten Einschränkungen vor allem in Form von Selbstzensur auf, sodass man zu gewissen Themen kaum mehr Interviewpartner findet. Auf der Strasse sind die Leute ziemlich eingeschüchtert.
Ich musste stundenlang herumreisen, bis ich ein Hotel fand, das mich mit meinem Journalistenvisum aufnahm.
Auf Reportage stand oft zehn Minuten, nachdem ich in einem Hotel eingecheckt hatte, die Sicherheitspolizei vor der Tür und stellte Fragen. Teilweise wird man von Zivilpolizisten im Auto verfolgt. Ich musste auch schon stundenlang herumreisen, bis ich ein Hotel fand, das mich mit meinem Journalistenvisum aufnahm.
Was hat dazu geführt, dass Sie ausreisen mussten?
Ich wurde dreimal ins chinesische Aussenministerium zitiert zum «Teetrinken». Da bekommt man die Leviten gelesen. Das war zwar zivilisiert, aber mir wurde eine rechtliche Grauzone angedroht. Sie warfen mir vor, als freier Journalist nicht für alle Medien richtig akkreditiert zu sein. Aber eigentlich hat ihnen ein Interview, das ich über Xi Jinping geführt habe, nicht gefallen. Mir wurde eine letzte Warnung ausgesprochen. Ich wusste nicht, welche Konsequenzen drohen würden, und mir wurde klar, dass es nicht mehr sicher ist, zu berichten. Auf legalem Weg habe ich noch versucht, länger zu bleiben, musste dann aber irgendwann das Handtuch werfen.
In diesem Überwachungsstaat ist es schwierig, seine Quellen zu 100 Prozent zu schützen.
Über welche Themen darf nicht mehr berichtet werden?
Als ausländischer Korrespondent ist es nicht so wie bei chinesischen Medien, dass man über bestimmte Themen nicht berichten darf. Ich habe mir nichts verbieten lassen. Aber man muss mit den Konsequenzen leben. Das Einzige, worin ich mich eingeschränkt habe, war, wenn es um die Sicherheit von Quellen ging. Die interessantesten Gespräche konnte ich dadurch teilweise nicht verwenden, selbst wenn ich die Interviewpartner anonymisiert habe. In diesem Überwachungsstaat ist es schwierig, seine Quellen zu 100 Prozent zu schützen.
Was hat sich gegenüber früher verändert?
Vor ein paar Jahren war es noch massiv anders. 2017 konnte man in Hotels noch mit Bargeld bezahlen und wurde nicht sofort digital überwacht. Heutzutage drohen einem nicht nur bei Kernthemen wie Taiwan Konsequenzen. Auch Wirtschaftsthemen werden als sensibel eingestuft. Über Soft-Themen, wie beispielsweise die Technoszene, zu berichten, wird zunehmend schwierig, weil immer die Polizei involviert ist und Leute einschüchtert.
Bevor Xi Jinping, an die Macht kam, fand man sehr einfach Leute, die offen über die Korruption der Partei schimpften. Heute würde dies kein Chinese und keine Chinesin mehr riskieren.
Dieses leichte Leben, das man in Europa hat, diese Rechtssicherheit, die hat man als Journalist in China nur selten.
Haben Sie auch körperliche Einschränkungen erlebt?
Bei mir war es nicht so drastisch. Es waren kleinere Rangeleien. Ein paarmal haben mich Wachmänner körperlich daran gehindert, eine Fernsehschaltung zu machen. An der nordkoreanischen Grenze wurde ich von Zivilleuten eingekreist, als ich sie zur Rede stellte. Da musste ich die Flucht ergreifen.
Das Schlimmste aber waren die Paranoia und die Einschüchterung. Auch wenn es sich um eine irrationale Angst handelt, ist sie immer im Hinterkopf präsent. Dieses leichte Leben, das man in Europa hat, diese Rechtssicherheit, die hat man als Journalist in China nur selten.
Das Gespräch führte Susanne Stöckl.