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Amtsübergabe in den USA Aus diesen Gründen klammert sich Trump an die Macht

Dass sich Donald Trump an sein Amt klammert, hat mehrere Gründe. USA-Experte Stephan Bierling fasst hier die wichtigsten für SRF News zusammen.

1. Trumps Persönlichkeitsstruktur

Donald Trump wurde von seinem Vater dazu erzogen, Sieger zu sein. Niederlagen anzuerkennen, war nie seine Sache. Auch Entschuldigungen auszusprechen, war nie seine Sache. Das heisst, es geht absolut gegen seine Persönlichkeitsstruktur, zu dem zu werden, was für ihn immer das schlimmste Schmähwort war, in seinem politischen Leben und schon davor: nämlich ein Loser, auf Deutsch Verlierer. Der Präsident ist jetzt selbst zum Verlierer geworden, und das kann er sich nicht selbst eingestehen.

Rücktritt und Begnadigung als möglicher Weg

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Dass Donald Trump noch vor der Amtsübergabe am 20. Januar zurücktritt und sein Vizepräsident Mike Pence eine Begnadigung ausspricht, ist gar nicht so unwahrscheinlich. Auf der anderen Seite wäre Trump damit der zweite Präsident in 230 Jahren amerikanischer Geschichte, der dies täte. Er befände sich in einer Kategorie mit Richard Nixon, der bisher als moralischer Tiefpunkt der US-Präsidentschaft gegolten hat. Offen ist, ob er sich in dieser Gesellschaft für die Geschichtsbücher wirklich wohlfühlen würde.

2. Angst vor Immunitätsverlust

Eine Niederlage ist für Trump auch schlimm, weil er viel zu verlieren hat: Er verliert seine Immunität vor Strafverfolgung. Das kann angesichts seiner Steuerdeals durchaus problematisch sein. Denn in New York wird vom Staatsanwalt bereits eine Anklageerhebung wegen Steuerhinterziehung vorbereitet. Ihm drohen Steuernachzahlungen von 400 Millionen Dollar. Sein ganzes Imperium ist nicht sonderlich liquide. Das kann für ihn also den Bankrott bedeuten.

Der Zeitplan bis zur Amtsübergabe

3. Rückendeckung seiner Partei

Trump ist nach wie vor eine starke Kraft in der republikanischen Partei. Sich gegen Trump zu stellen – so unmöglich er sich jetzt auch benimmt mit seiner Nichtanerkennung der Realität – ist für jede und jeden Abgeordneten, der eine Zukunft in der Partei haben will, eine durchaus schwierige Angelegenheit. Denn dazu brauchen sie auch die Trump-Wähler.

Doch die Partei besteht nicht nur aus Gefolgsleuten von Trump. Manche haben stillgehalten während der letzten vier Jahre, weil sie sich mit Trump nicht anlegen wollten. Das hätte das politische Ende ihrer Karriere bedeutet. Es wird nun Absetzbewegungen geben. Aber es wird nicht einen Rutsch der gesamten Partei weg von Trump geben, sondern eher eine Spaltung der Republikaner in Loyalisten und Leute, die nun wieder ihr eigenständiges Denken und ihr Rückgrat entdecken.

Stephan Bierling

USA-Experte

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Bierling lehrt seit 2000 als Professor für Internationale Politik an der Universität Regensburg und leitet die Professur für Internationale Politik und transatlantische Beziehungen. Er ist als Analyst der US-Innen-, Wirtschafts- und Aussenpolitik für diverse Medien tätig.

Rendez-vous, 09.11.2020, 12:30 Uhr ; 

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