Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis ist ein Mann mit zu vielen Interessen, findet David Ondracka. Er ist Chef des tschechischen Ablegers der Anti-Korruptionsorganisation Transparency International: «Wir haben in Tschechien eine Konzentration von Macht bei einer einzigen Person.» Babis dominiere weite Teile der Wirtschaft, der Medien und der Politik. «Das ist wie Italien unter Berlusconi – nur krasser.»
Am Wochenende werden in Prag erneut Zehntausende für den Rücktritt von Babis demonstrieren. Regierungschef Babis bestimmt mit, wenn es darum geht, wer in Tschechien wie viel Geld bekommt. «Das ist ein Interessenskonflikt, wie ihn Europa noch nie gesehen hat», sagt Ondracka.
«Babis tut, was immer von ihm verlangt wird»
Alles Hirngespinste, widerspricht Radek Vondracek. Er ist tschechischer Parlamentspräsident und eines der führenden Mitglieder der Regierungspartei.
Babis habe seine Firma in zwei Stiftungen ausgelagert und trenne geschäftliche und politische Interessen – so wie es das Gesetz vorschreibe: «Babis tut, was immer von ihm verlangt wird. Aber es ist nie genug. Diese Leute geben erst Ruhe, wenn Babis zurücktritt.»
Die unparteiische und objektive Ausübung der Regierungsämter durch Herrn Babis war beeinträchtigt.
Mit «diesen Leuten» meint Vondracek auch Transparency International und die Piratenpartei. Die haben Babis nämlich bei der EU-Kommission angezeigt. «Wir haben herausgefunden, dass Babis Agrofert noch immer kontrolliert. Er streicht noch immer die Gewinne ein. Und seine eigene Frau sitzt im Aufsichtsrat der Stiftung, in die Babis seine Firma verlagert hat», so Ondracka.
Zwischenbericht kritisiert Babis
Das sei unzulässig und Agrofert deshalb nicht berechtigt, irgendwelche öffentlichen Gelder zu erhalten. Auch die Gutachter der EU-Kommission finden, dass Babis seine Interessenskonflikte nicht gelöst habe.
In einem durchgesickerten Zwischenbericht stehen vernichtende Sätze wie dieser: «Die unparteiische und objektive Ausübung der Regierungsämter durch Herrn Babis war beeinträchtigt».
Der Regierungschef habe nach wie vor zu viel Einfluss auf die Geschäfte von Agrofert, die EU-Kommission solle deshalb Millionen Subventionsgelder von Tschechien zurückfordern. Das abschliessende Urteil aus Brüssel wird in den kommenden Monaten erwartet.
Ondracka geht davon aus, dass es Babis in ein grosses Dilemma stürzen wird. «Soll ich Regierungschef bleiben und mein Geschäft gefährden? Oder soll ich die Politik verlassen und meinen Konzern retten?»
Der Ministerpräsident hat gesagt: ‹Ich bin unschuldig› und ist bereit, das auch zu beweisen.
Babis werde sicher nicht zurücktreten, sagt der regierungstreue Parlamentspräsident. Nicht wegen des Verfahrens der EU-Kommission, nicht wegen der Strassenproteste und auch nicht wegen eines weiteren Korruptionsverfahrens, das in Tschechien noch hängig ist: «Der Ministerpräsident hat gesagt: ‹Ich bin unschuldig› und ist bereit, das auch zu beweisen.»
Meinungen sind gemacht
Allerdings – und das ist einer der ganz wenigen Punkte, in denen sich Babis-Unterstützer und Babis-Gegner einig sind – die Meinungen zum Regierungschef sind gemacht. Seine Gegner wird er nie überzeugen, dass er Politik und Geschäft trennen kann. Und seine Anhänger glauben nach wie vor, dass, wer so reich ist wie Babis, nicht schummeln muss.
Dieser Glaube an Babis könnte jedoch auf eine harte Probe gestellt werden, sollte die EU Tschechien tatsächlich zwingen, Millionen Euro Subventionen zurückzuzahlen, die an Agrofert gegangen sind.