Erste G7-Staaten erkennen Palästina an: Am Sonntag haben Grossbritannien, Kanada, Australien und Portugal die palästinensischen Gebiete als Staat anerkannt. Frankreich hat angedeutet, den Schritt ebenfalls gehen zu wollen – und könnte das an der heute Abend stattfindenden UNO-Vollversammlung tun. Für die G7-Staaten Frankreich, Grossbritannien und Kanada sei dies nun eine direkte Reaktion auf die immer dramatischere Kriegssituation in Gaza, erklärt der diplomatische Korrespondent von SRF, Fredy Gsteiger. «Sie wollen damit politisch Druck auf Israel ausüben und zugleich den Palästinensern eine politische Perspektive in Form einer Zweistaatenlösung bieten.» Dies in der Hoffnung, dass sich möglichst viele von der Terrororganisation Hamas und anderen gewalttätigen Organisationen abwenden. Nicht alle G7-Staaten wollen Palästina anerkennen. Die USA, Italien und Deutschland wollen diesen Schritt explizit vorläufig nicht gehen.
Historische Verbindung zu Israel: Dass Deutschland nicht mitzieht – genauso wenig wie das G7-Land Italien – hat mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun und der Verantwortung dieser beiden Staaten für den Holocaust. Aus diesem Grund gehört Deutschland seither zu den Ländern, die Israel am stärksten unterstützen.
Reaktion von Israel auf die Anerkennungen: Israel hat Gegenmassnahmen angedroht, wenn weitere Staaten Palästina anerkennen. Für Fredy Gsteiger ist dies eine hohle Drohung. Denn Israel habe nicht wirklich Druckmittel gegenüber jenen Ländern, die Palästina nun formell anerkennen wollen. Zudem wisse man auch in Israel, dass die politische Anerkennung konkret vor Ort kaum praktische Bedeutung habe. «Was die israelische Führung aber ärgert, ist, dass nun auch bedeutende westliche Staaten, die bisher Freunde Israels waren, auf Distanz gehen und Israel deshalb weltpolitisch immer einsamer dasteht.»
Diplomatischer Erfolg: Dass mehr als 150 Staaten aus allen Weltregionen Palästina als Staat anerkennen, sei ein diplomatischer Erfolg, denn dies sei eine Anerkennungsquote von beinahe 80 Prozent, so Andreas Müller, Professor für Menschenrecht, Völkerrecht und internationalem Recht an der Universität Basel. «Die Anerkennung zum Staat hat zur Folge, dass Palästina in den anerkennenden Staaten formell Botschaften errichten und diplomatisches Personal hinschicken kann. Das führt zu einer Aufwertung», so Müller.
Rolle der palästinensischen Bevölkerung: Das Volk von Palästina habe in diesem Prozess keine Möglichkeit mitzureden, obwohl es um die Anerkennung seiner Staatlichkeit gehe, erklärt Müller. «Die Verhandlungen und Kontaktnahmen laufen über die Köpfe Palästinas hinweg, denn der Konflikt hat ganz massiv geopolitische Implikationen.»
Bedeutung der Anerkennung für die lokale Bevölkerung: Die Wunden sind in der palästinensischen sowie in der israelischen Bevölkerung sehr tief. Für deren Heilung würde es echte Verhandlungen und echte Lösungsvorschlage brauchen. Dies sei mit der Anerkennung nicht getan, sagt der Professor. Doch «ich gehe nicht davon aus, dass die Gräben durch die blosse Anerkennung vertieft werden, denn die Herausforderungen im alltäglichen Kriegsgeschehen sind viel tiefer».