Immer mehr Länder wollen Palästina anerkennen. Doch völkerrechtlich stellen sich zum Status viele Fragen. Der Nahost-Forscher Jan Busse spricht im Interview über die enormen Hürden: Eine Terrororganisation an der Macht und eine israelische Regierung, die mit Siedlungen Fakten schafft.
SRF News: Immer mehr Länder anerkennen Palästina. Ist das mehr als nur Symbolik?
Jan Busse: Zunächst ist es ein symbolischer Akt. Aber einer mit Gewicht. Wenn Frankreich und Grossbritannien ihre Ankündigung umsetzen, würden vier von fünf ständigen Mitgliedern des UNO-Sicherheitsrats Palästina als Staat anerkennen. Das ist eine qualitative Veränderung.
Die Macht der Hamas fusst darauf, dass der diplomatische Weg bisher zu nichts geführt hat.
Wer soll in einem Staat Palästina regieren? Die Palästinensische Autonomiebehörde sei undemokratisch, in Gaza herrscht die Terrororganisation Hamas.
Die Hamas kann in ihrer jetzigen Form keine Rolle spielen. Der langjährige Partner des Westens ist die Palästinensische Autonomiebehörde. Sie bekennt sich zur Zweistaatenlösung, ist aber undemokratisch und muss dringend reformiert werden. Wenn man der Hamas den Zulauf entziehen will, muss man der palästinensischen Bevölkerung eine echte politische Perspektive geben. Die Macht der Hamas fusst darauf, dass der diplomatische Weg bisher zu nichts geführt hat.
Kritikerinnen und Kritiker sagen immer wieder, dass Israel mit dem Abzug unter Bedingungen aus dem Gazastreifen im Jahr 2005 den Weg für eine palästinensische Selbstverwaltung ebnete. Dieser soll aber mit der Machtübernahme der Hamas zu einem autoritären Terrorstaat geführt haben. Was könnte dafür sprechen, dass es diesmal anders verlaufen sollte?
Man würde mit der Anerkennung ja nicht die Hamas belohnen, sondern die gemässigten Kräfte der Autonomiebehörde, die sich seit Jahrzehnten für eine Verhandlungslösung einsetzen. Wir müssen auch sehen, dass es im Interesse des israelischen Premierministers Netanjahu lag, die Hamas im Gazastreifen am Leben zu halten. Er hat selbst gesagt, man müsse die Geldtransfers aus Katar an die Hamas unterstützen, damit die Palästinenser gespalten bleiben und es nicht zu einer Zweistaatenlösung kommt. Netanjahu trägt eine Mitverantwortung dafür, dass die Hamas an der Macht geblieben ist.
Die Siedlungen schränken die Bewegungsfreiheit der Palästinenser massiv ein.
Trotzdem bleibt die Befürchtung, dass wieder ein Terrorakteur an die Macht kommt.
Wenn sich die internationale Gemeinschaft engagiert einbringt, zum Beispiel beim Aufbau demokratischer Institutionen und bei den Friedensverhandlungen, sehe ich nicht, dass die Hamas eine zentrale Rolle spielen könnte. Man kann auch Vorkehrungen treffen, etwa dass Akteure, die Israel ablehnen, nicht zu Wahlen zugelassen werden.
Ein weiteres Problem ist das Staatsgebiet. Israel forciert den Siedlungsbau im Westjordanland. Verunmöglicht das einen Palästinenserstaat nicht schon lange?
Die Siedlungen schränken die Bewegungsfreiheit der Palästinenser massiv ein. Ein geplanter Siedlungsblock östlich von Jerusalem würde das Westjordanland sogar in der Mitte durchschneiden. Die israelische Regierung will damit Fakten schaffen und ihre Souveränität über das gesamte Gebiet ausdehnen. Das ist ein riesiges Hindernis, aber kein unüberwindbares, wenn es den politischen Willen gäbe.
Das Gespräch führte David Karasek.