Zum Inhalt springen

Angebliche Lieferengpässe EU macht im Clinch mit Impfstoffherstellern Druck

Die EU hat mit sechs Pharmafirmen Verträge abgeschlossen. Zum Teil liefern sie aber nicht die vereinbarten Mengen.

Das wurde vereinbart: 2.7 Milliarden Euro hat die EU an sechs Pharmafirmen überwiesen, damit diese schon vor der EU-Zulassung für ihre Corona-Impfstoffe die Produktion in Europa hochfahren können. Zwei Hersteller, Pfizer/Biontech und Astra-Zeneca, informierten nun, dass sie die vereinbarten Mengen nicht liefern könnten. Vor allem der Fall Astra-Zeneca sorgt für rote Köpfe in Brüssel. Für Freitag erwarten alle die Zulassung des Impfstoffes.

Auch Schweiz betroffen – Kantone reagieren

Box aufklappen Box zuklappen

Weil es beim Impfstoff von Pfizer/Biontech auch in der Schweiz zu Lieferverzögerungen kommt, haben verschiedene Kantone reagiert. So bekommen im Kanton Zug 450 Personen ihre erste Impfdosis eine Woche später, um sicherzustellen, dass alle Zweitimpfungen termingerecht verabreicht werden können. Zu den Massnahmen der Kantone sagt SRF-Wirtschaftsredaktor Matthias Heim: «Den Kantonen bleibt in der jetzigen Situation nichts viel anderes übrig, als auf Sicht zu fahren. Denn die besten und ausgeklügeltesten Pläne nützen nichts, wenn der Impfstoff nicht vorhanden ist.»

Da es im Abstand von drei Wochen eine zweite Spritze braucht, müssten die Kantone sicherstellen, dass sie zu dem Zeitpunkt auch über genügend Impfstoff verfügen. «Und wenn eben nicht ganz klar ist, wann sie wie viele neue Impfdosen erhalten, müssen sie eben etwas auf die Bremse stehen, um die bereits Geimpften dann noch ein zweites Mal impfen zu können.»

So viel wird geliefert: Astra-Zeneca schrieb zuletzt, man könne nur die Hälfte der bestellten Dosen liefern. EU-Vertreter sagten der Nachrichtenagentur Reuters zufolge allerdings, dass die Staatengemeinschaft eine Woche früher als bislang geplant mit dem Impfstoff beliefert werde. Die Lieferungen sollten am 7. Februar beginnen, nicht erst am 15. Februar. In Brüssel wurde der Verdacht geäussert, dass das britisch-schwedische Unternehmen in der EU hergestellte Impfstoffe in Drittstaaten exportiert, weil diese mehr bezahlen.

So wird es begründet: Offenbar haben die Manager von Astra-Zeneca am Montag in zwei Krisensitzungen nicht plausibel nachweisen können, dass tatsächlich Produktionsschwierigkeiten im belgischen Werk die Ursache für die geringere Liefermenge sind. Darum droht die EU nun mit strikten Exportkontrollen für alle in der EU hergestellten Medikamente. Das soll klären, welche Hersteller welche Impfstoffe wohin liefern und in welchen Mengen.

Jens Spahn
Legende: Abmachungen mit der EU gelte es einzuhalten. Das sagte der deutsche Gesundheitsminister Jens Spahn heute Morgen im ZDF im Namen aller seiner europäischen Ministerkolleginnen und -kollegen: «Hier geht es nicht um EU first. Hier geht es um Europe's fair share, also den fairen Anteil.» Keystone

Deshalb ärgern sich EU-Länder: Auch Pfizer/Biontech hat wegen eines angeblichen Umbaus der Produktion im Werk in Belgien Lieferengpässe angekündigt. Zudem will Pfizer weniger Ampullen liefern, weil je sechs Impfdosen daraus entnommen werden können, nicht nur fünf. Die vereinbarten Liefermengen beziehen sich auf die Anzahl Impfdosen. Pfizer fühlt sich also im Recht. Einige EU-Mitgliedsstaaten fühlen sich aber geprellt.

Das fordert das EU-Parlament: Seit Wochen steigt der Unmut über die Lieferverträge, welche die EU-Kommission im Namen der Mitgliedsstaaten mit sechs Pharmafirmen ausgehandelt hat. Das EU-Parlament verlangte deshalb die Offenlegung aller Vertragsdetails. Bis jetzt hat aber erst ein Hersteller, Curevac in Deutschland, eingewilligt, den Liefervertrag zu veröffentlichen. Allerdings bleiben auch dort weite Teile des Vertrags geheim – insbesondere Informationen zum Preis des Impfstoffes.

Rendez-vous, 26.01.2021, 12:30 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel