Was ist passiert? Vor der Europawahl am 9. Juni mehren sich Attacken auf Politikerinnen und Politiker in Deutschland. Da ist zum einen SPD-Politikerin Franziska Giffey , die in der Berliner Regierung sitzt. Ein Mann hat sie am Dienstagnachmittag in einer Bibliothek angegriffen und leicht verletzt. Der zweite aktuelle Fall: In Dresden ist eine Grünen-Politikerin bedroht und bespuckt worden, als sie Plakate aufhängte.
Was waren das für Angriffe? Am Freitag vergangener Woche war der SPD-Politiker Matthias Ecke in Dresden von vier jungen Männern im Alter von 17 und 18 Jahren zusammengeschlagen worden . Der Spitzenkandidat für die Europawahl in Sachsen wollte Wahlplakate anbringen, als ihn die Täter überraschend attackierten. Die Polizei rechnet zumindest einen von ihnen dem rechten Spektrum zu. Kurz vor dem Angriff auf Ecke hatte laut Polizei mutmasslich dieselbe Gruppe in der Nähe einen Grünen-Wahlkampfhelfer verletzt.
Wie reagiert die Politik? Am Dienstag hatten sich die deutschen Innenminister der Bundesländer in ihrer Sondersitzung für einen besseren Schutz politisch engagierter Menschen und auch für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen.
Eine SPD-Parteikollegin ist schockiert: Katarina Barley ist SPD-Kandidatin für die Europawahlen. Gegenüber SRF zeigt sich die Politikerin erschüttert über die Angriffe: «Das ist völlig inakzeptabel und darf in einer Demokratie nicht passieren. Menschen, die politische, demokratische Botschaften verbreiten, dürfen nicht Opfer von solchen tätlichen Angriffen werden.» Sie sieht den Grund für die Angriffe in der aufgeheizten Stimmung in der politischen Debatte: «So etwas kann nur gedeihen in einer Atmosphäre, wo Leute glauben, dass man das in der Demokratie machen könnte und deswegen sind wir da jetzt alle gefragt.»
Worauf ist die Gewalt zurückzuführen? Stefan Reinhart ist Leiter der Auslands-Korrespondentinnen und -Korrespondenten und beobachtet für SRF die deutsche Politik. Auch er zieht die Äusserungen von Politikern wie der AfD in einen Zusammenhang mit den Vorfällen: «Wenn man sich anhört, wie die Politikerinnen und Politiker von ganz rechts aussen über die Regierenden sprechen, kann ich mir schon vorstellen, dass die sprachliche Verrohung einen Einfluss auf die Strasse hat. Diese Leute sagen, die regierenden Politikerinnen seien Verräter. Sie wollten Deutschland verkaufen und zerstören.»
Sinkt die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden? Reinhart verweist auch auf die verbale Gewalt, die sich in Foren des Internets zeigt. Dort würden regelmässig Todesdrohungen gegen öffentliche Personen ausgesprochen. Dies führe dazu, dass die politische Debatte immer stärker verrohe: «Der demokratische Konsens, dass man einander nicht persönlich angreift, sondern politisch sachlich bleibt, der geht immer mehr verloren», sagt Reinhart bei Radio SRF.