Am späteren Dienstagnachmittag sind in der katarischen Hauptstadt Doha Explosionen zu hören. Israel hat versucht, die Führungsspitze der Hamas mit gezielten Raketenschlägen zu ermorden. Laut Angaben der Hamas sind dabei fünf Hamas-Mitglieder und ein katarischer Sicherheitsmann ums Leben gekommen – die Hamas-Spitze soll aber überlebt haben.
Seit dem Hamas-Massaker vom Oktober 2023 in Israel wiederholt die israelische Regierung immer wieder, dass sie die Hamas «eliminieren» wolle. Bereits im Sommer 2024 hat Israel den damaligen Hamas-Chef Ismail Hanija in Teheran getötet. Zeitpunkt und Ort des jüngsten Mordanschlags werfen jedoch viele Fragen auf – zumal es sich bei Katar um einen Vermittlerstaat und Verbündeten der USA handelt.
US-Präsident nicht erfreut
Die versuchte Tötung der Hamas-Spitze geschah vor dem Hintergrund der seit Monaten stockenden Verhandlungen um einen Waffenstillstand im Gazastreifen und einer Freilassung der israelischen Geiseln. Zuletzt hatte US-Präsident Donald Trump der Hamas gedroht, sie müsse einem Deal zustimmen – das sei ihre letzte Chance.
Laut Medienberichten war die Hamas-Führung zusammengekommen, um den Vorschlag zu diskutieren. In diesem Moment schlug Israel zu. US-Präsident Trump sei vorgängig informiert worden, aber nicht erfreut gewesen über Zeitpunkt und Ort des Angriffs, heisst es aus dem Weissen Haus.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu begründete den Angriff im Nachgang mit der Tötung von vier israelischen Soldaten in Gaza am Vortag, sowie einem Hamas-Anschlag in Jerusalem mit sechs Toten. Diese Begründung ist jedoch wenig glaubwürdig.
In den letzten knapp zwei Jahren sind in Gaza mehrere hundert israelische Soldaten getötet worden. Auch gab es seither mehrere Terroranschläge in Israel – ohne dass Israel im Anschluss versucht hätte, die Hamas-Führung zu töten.
Eigennützige Motive?
Das Ganze sieht mehr nach einem erneuten Versuch der israelischen Regierung aus, die Verhandlungen um einen Waffenstillstand zu torpedieren. Denn Netanjahu und seine teilweise rechtsextremen Koalitionspartner haben aktuell kaum ein Interesse an einem Abkommen mit der Hamas. Wenn der Krieg zu Ende ginge, würde die Regierungskoalition wohl endgültig auseinanderbrechen. Mit dem Angriff auf die Hamas-Führung ist ein Abkommen nun in weite Ferne gerückt.
Profitieren vom Angriff kann wohl aber auch die Hamas. Sie, die für das Massaker vom 7. Oktober verantwortlich ist, die das Leid von zwei Millionen Menschen im Gazastreifen bewusst in Kauf nimmt und ein Kriegsende hinauszögert: Sie kann sich jetzt als Opfer eines hinterhältigen Angriffs darstellen – und wird das politisch ausschlachten.
Absage an Frieden in Gaza
Der Angriff auf die Hamas-Spitze ist eine Absage der israelischen Führung an einen baldigen Frieden im Gazastreifen. Bereits am Dienstagmorgen hatte die israelische Armee die Menschen in Gaza-Stadt grossflächig zur Evakuierung aufgefordert – der Krieg geht mit voller Härte weiter.
Israels Vorgehen ist aber auch eine Absage an Katar als Vermittlerstaat. Dass Israel auf dem Boden des US-Verbündeten Katar einen Angriff durchgeführt hat, ist ein diplomatischer und politischer Affront. Das stellt die Beziehungen zwischen Israel und den USA auf die Probe, aber auch die Beziehungen zwischen Katar und den USA.
Und manch ein Herrscher am Golf, der in der Vergangenheit eine Annäherung an Israel in Erwägung gezogen hat, dürfte sich nun fragen, ob Israel wirklich ein vertrauenswürdiger Partner ist.