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Angriffe auf iranische Mädchen Vergiftung von hunderten Schülerinnen lässt viele Fragen offen

Angeblich mit einem Gas haben Extremisten in Iran Mädchen von Schulen verjagt. Die verängstigten Eltern wollen Klarheit.

Nach einer Vergiftungswelle an Mädchenschulen in mehreren iranischen Städten gehen die Behörden mittlerweile von kriminellen Akten aus. Nach ersten Fällen in der religiösen Hochburg Ghom im November klagten Oberstufenschülerinnen unter anderem in Teheran, Isfahan, Ardabil und Sari über Übelkeit, Kopfschmerzen, Husten, Atembeschwerden, Herzrasen und Gefühllosigkeit in Händen und Beinen. Auch Fälle von Bewusstlosigkeit und Hospitalisierungen soll es gegeben haben.

Gasgeruch in Klassenzimmern

Laut den Gesundheitsbehörden könnte eine neue bisher unbekannte extremistische Gruppe hinter den Angriffen stecken, welche Mädchen von der Bildung fernhalten will. Darauf jedenfalls deutet ein einschlägiges Bekennerschreiben hin. Nach neuesten Berichten soll die Täterschaft ein Gas eingesetzt haben. Betroffene Schülerinnen berichteten von einem komischen Geruch in den Klassenzimmern.

Weiterhin sei aber völlig unklar, wie das Gas in die Schulungsräume gelangt sein könnte, sagt ARD-Korrespondentin Karin Senz, die von Istanbul aus regelmässig über Iran berichtet. Vor allem auf den sozialen Netzwerken kursierten verschiedenste Spekulationen. Betroffen seien wohl hunderte Mädchen. Zudem habe es Anfang Woche einen nicht bestätigten Todesfall gegeben. Iranische Medien wiederum berichteten, dass Blutproben der Betroffenen keine Hinweise auf irgendwelche Krankheiten ergaben.

Spekulationen über Täterschaft

Dass die ersten Fälle in der Stadt Ghom publik wurden, sei zumindest ein Hinweis, dass fanatische Gruppen hinter den Angriffen stecken könnten, schätzt Senz. Die klerikale Hauptstadt beherbergt 50'000 Religionsschüler aus verschiedenen Ländern an zahlreichen Seminarschulen.

So kursierten in den Medien auch Gerüchte über eine taliban-ähnliche Zelle, die ihr Unwesen treibe. Ein Vergleich mit Afghanistan und der dortigen Realität für die unterdrückten Frauen sei aber kaum glaubhaft, sagt Senz. Im Iran könnten Mädchen ganz normal zur Schule gehen, wenn auch ausschliesslich geschlechtergetrennt. Und der Frauenanteil an den Universitäten betrage 65 Prozent, wobei diese dann nach Abschluss oft wieder zu Hause landeten und keine berufliche Karriere starten könnten.

Verängstigte Eltern fordern Antworten

Die Regierung gerät laut Senz zunehmend von den besorgten Eltern unter Druck, die zum Teil den Online-Unterricht fordern, bis die Fälle geklärt sind. Das Regime versprach rasche Aufklärung. Doch Stellungnahmen von Präsident Ebrahim Raisi wie auch vom Obersten Führer Ali Chamenei blieben bisher aus.

Darüber, ob die Vergiftungsfälle mit den Frauenprotesten nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini Mitte September zu tun haben könnten, lässt sich nur spekulieren. Allerdings ist laut Senz seither bei den jungen Frauen ein neues Selbstbewusstsein entstanden. Nicht auszuschliessen, dass sich da nun jemand rächen und die Mädchen wieder in die Schranken weisen wolle.

SRF 4 News aktuell, 28.02.2023, 07:20 Uhr ; 

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