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Angst vor Chaos Klimapolitik: Für Putin eine Frage der Sicherheit

Russlands Präsident hat angekündigt das Pariser Klimaabkommen bald zu ratifizieren. Umweltschutz ist dabei zweitrangig.

Ein genaues Datum nannte Wladimir Putin nicht, als er die Ratifizierung des Pariser Klimaabkommens am Samstag am Rande des G20-Gipfels in Osaka ankündigte. «In Kürze» – so der russische Präsident.

Deutlicher Position bezog er zu den Auswirkungen des Klimawandels: Die Erwärmung sei Ursache für Überschwemmungen und das Schmelzen des Permafrostes in Russland. «Laut dem russischen Dienst für Meteorologie verläuft bei uns in Russland die Erwärmung doppelt so schnell, wie im Rest der Welt. Das ist eine ernste Herausforderung für uns alle», sagte Putin gegenüber Journalisten.

Darin sieht Angelina Davydova, Expertin für russische Klimapolitik, keinen Gesinnungswandel: «Seit der Klimakonferenz von Kopenhagen im Jahr 2009 hat Wladimir Putin den Klimawandel nicht mehr grundsätzlich in Abrede gestellt.»

Die Zeiten sind definitiv vorbei, als Putin scherzhaft sagte, die globale Erwärmung sei für Russland gar nicht schlecht, müssten die Russen dann weniger Pelz tragen.

Keiner einer Meinung

Im Gegensatz zu US-Präsident Donald Trump stellt der russische Präsident die Existenz der Klimaveränderung nicht in Frage. Moskau und Brüssel sind sich in Klimafragen somit durchaus näher als Brüssel und Washington. Einer Meinung ist der Kreml mit der EU dennoch nicht.

Es könnte sich auch um eine Veränderung im Weltraum handeln, die für uns unsichtbar bleibt.
Autor: Wladimir Putin bezweifelt die menschliche Verantwortung für den Klimawandel

Denn Putin zweifelt nach wie vor an den Ursachen für den Klimawandel. Noch im Oktober vergangenen Jahres erklärte er an einem Forum der russischen Energiebranche, dass für die globale Erwärmung nicht in erster Linie der Mensch verantwortlich sei: «Es könnte sich auch um eine Veränderung im Weltraum handeln, die für uns unsichtbar bleibt in der Galaxie.»

Wenig ambitionierte Ziele

Putins scheinbar widersprüchliche Aussagen können nicht erklären, warum zweieinhalb Jahre nach Inkrafttreten des Pariser Abkommens eine Ratifizierung durch Russland noch aussteht. Auch an den Klimazielen Russlands kann es nicht liegen, denn diese sind alles andere als ambitioniert.

Bis 2030 hat Russland sich vorgenommen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 25 bis 30 Prozent senken. Bereits heute liegen die Werte darunter. Grosse Anstrengungen waren dafür nicht nötig, denn mit dem Ende der Sowjetunion brach auch die damalige Industrie zusammen, die zu einem grossen Teil für die Emissionen verantwortlich war.

Die Verzögerung sei auf Widerstand von Teilen des Energiesektors zurückzuführen, sagt Angelina Davydova: «Vor allem die Kohle- und Stahlindustrie hat sich dagegen gewehrt, weil man Abgaben auf Treibhausgasemissionen befürchtet hat.»

Eine Frage der Sicherheit

Während Russland erste Anläufe nimmt, die negativen Auswirkungen der Erwärmung einzudämmen, investiert das Land gleichzeitig Milliarden in eine Flotte von Eisbrechern, um die eigene Position in der Arktis zu sichern.

Was Kritiker als eine Wette auf den Klimawandel bezeichneten, sieht Angelina Davydova nüchterner: «Diese Entwicklungen, einerseits Anpassungen an den Klimawandel und andererseits Massnahmen zur Eindämmung, geschehen parallel und schliessen einander nicht aus.»

Russland machte sich in der Vergangenheit keinen Namen als Klimaschützer. Doch Umweltpolitik wird für Putin zu einer sicherheitspolitischen Frage. Katastrophen – ob Flut oder Dürre – könnten das Land ins Chaos stürzen.

Streben nach Stabilität

Wenn es eine Maxime gibt, nach welcher Putin seine Politik richtet, dann ist es Stabilität. Hatte Russland einst eine Strategie zu Umweltschutz und nachhaltiger Entwicklung, ersetzte Putin diese durch eine Strategie zur ökologischen Sicherheit. Der Name ist Programm.

Sendebezug: SRF 4 News, 29. Juni, 15 Uhr

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