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Angst vor China Taiwan: Steigende Nachfrage nach Zivilschutzkursen

Seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine wächst in Taiwan die Sorge, China könnte dem Vorbild Wladimir Putins folgen.

Taiwan, eine Insel in Alarmbereitschaft. Nicht nur die Armee, auch die Zivilbevölkerung bereitet sich darauf vor, sollte der Konflikt zwischen China und Taiwan eskalieren.

Die IT-Spezialistin Ignis Ho besucht zum ersten Mal einen Zivilschutzkurs. Sie macht sich Sorgen: «Ich glaube, dass ein Krieg sehr wahrscheinlich ist. Ich hoffe, ich kann mich so auf den Ernstfall vorbereiten.» 

Erste Hilfe und Einblick in moderne Kriegsführung

In einem eintägigen Kurs erhalten Ignis Ho und rund weitere 30 Anwesende eine Schnellbleiche. Sie lernen zum Beispiel, wie man einen Druckverband anlegt, wie man anhand der Militäruniform die Kriegspartei erkennt oder wie man Falschnachrichten erkennt.  

Durchgeführt wird der Kurs von der Nichtregierungsorganisation Kuma Academy. Die Akademie hat seit ihrer Gründung letzten Dezember bereits hunderte von Taiwanesinnen und Taiwanesen ausgebildet. Wie viele solche privaten Anbieter von Zivilschutzkursen es gibt, ist nicht bekannt. Aber ihre Zahl wächst. 

Peking hält Taiwan für einen Teil Chinas

In der Bevölkerung Taiwans wächst die Nervosität. Peking hält Taiwan für einen Teil Chinas. Erst letzten August liess die chinesische Regierung wieder die Muskeln spielen und führte das grösste Militärmanöver der letzten Jahrzehnte rund um die Insel durch.  

De facto ist Taiwan aber unabhängig. Die Insel hat eine eigene Regierung, Armee und Währung. Aber seit Ausbruch des Ukrainekrieges wächst die Sorge, dass China nachmacht, was Putin in der Ukraine tut.  

Xi Jinping droht Taiwan

Letzten Sonntag befeuerte Staatschef Xi Jinping die Sorgen. In seiner Eröffnungsrede am laufenden Parteikongress in Peking drohte er der Insel: «Wir werden uns weiterhin bemühen und uns für eine friedliche Wiedervereinigung einsetzen. Aber wir werden niemals versprechen, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten.»

Puma Shen, Mitgründer der Kuma Academy, glaubt nicht, dass ein Einmarsch der Chinesen unmittelbar bevorsteht, warnt aber: «Die Bevölkerung in Taiwan ist nicht gut auf einen Krieg vorbereitet. Es wäre zu spät, wenn wir erst bei Kriegsbeginn mit den Vorbereitungen beginnen würden. So etwas braucht mindestens drei bis fünf Jahre Zeit.»

Reicher Taiwanese spendet für Zivilschutz

Kursteilnehmer tragen einen Unkostenbeitrag in der Höhe von umgerechnet 30 Franken. Den Rest finanziert die Kuma Academy mittels Spenden. Robert Tsao, ein bekannter taiwanesischer Geschäftsmann, verkündete Anfang August, rund 100 Millionen Dollar unter anderem für den Zivilschutz zu spenden. Neben anderen Organisationen gehört auch die Kuma Academy zu den Begünstigten.

Mann mit schwarzer Brille trägt über weissem Hemd blaue Schutzweste und schwarzem Helm.
Legende: Robert Tsao, der Gründer des Mikrochip-Herstellers UMC, unterstützt Zivilschutzkurse finanziell. Reuters/ANN WANG

Aber nicht nur die Bevölkerung, auch die Regierung trifft Vorkehrungen. So eröffnete vor kurzem der Bürgermeister der Hauptstadt Taipei ein Zivilschutz-Trainingszentrum für Staatsangestellte.

Es braucht regelmässige Weiterbildung

Zurück beim Zivilschutzkurs. Teilnehmerin Ignis Ho hat eben den Erste-Hilfe-Kursblock absolviert: «Ich habe gelernt, dass das Stoppen der Blutung zentral ist, um jemanden zu retten. Damit gewinnt man wertvolle Zeit, bis Hilfe eintrifft.» 

Ignis Ho ist sich bewusst, dass ein eintägiger Kurs nicht ausreicht: «Ich bin keine Ärztin oder Krankenpflegerin. Wenn ich nicht regelmässig übe, vergesse ich alles wieder.» Sie hat sich deshalb bereits für einen Weiterbildungskurs angemeldet.

Tagesschau, 17.10.2022, 19:30 Uhr

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