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Anschläge in Afghanistan Taliban testen Schlagkraft der afghanischen Truppen

Mit mehreren Offensiven erschweren die Taliban den Friedensprozess – und verbessern ihre Verhandlungsbasis.

Die Sicherheitslage in Afghanistan ist angespannt. Seit Beginn des offiziellen Abzugs der internationalen Truppen am 1. Mai haben die Taliban mehrere Offensiven in mehreren Provinzen gestartet. Manche von ihnen war erfolgreich, andere konnten die Sicherheitskräfte der Regierung zurückschlagen. Auch in der Nacht auf Montag gab es wieder zahlreiche Gefechte.

Die angekündigte Offensive der Taliban

Für die Taliban kommt der internationale Truppenabzug zu spät. Sie hatten bereits im Vorfeld mit einer Offensive gedroht, falls der mit dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump vereinbarte Abzug per 1. Mai nicht vollzogen sei. Das ist nicht der Fall, nachdem die USA nun vor einigen Wochen den Truppenabzug bis zum 11. September angekündigt haben. Seither hat die Gewalt in Afghanistan deutlich zugenommen.

Die Taliban testeten nun die Schlagkraft der afghanischen Truppen aus und schauten, ob sie ihre Territorien ohne die zusätzlichen US-Streitkräfte verteidigen könnten, schätzt SRF-Südasien-Korrespondent Thomas Gutersohn. Die jüngste Offensive der Taliban habe gezeigt, dass die afghanische Armee weiterhin auf die US-Luftunterstützung angewiesen sei.

Urheber des Angriffs auf Mädchenschule unklar

Ob der verheerende Anschlag vom Samstag auf eine Mädchenschule in der Hauptstadt Kabul mit über 50 Toten im Zusammenhang mit der Taliban-Offensive steht, ist unklar. Die Taliban bestreiten die Tat.

Das Innenministerium wie auch der Präsident in Kabul sehen zweifellos die Taliban hinter dem Massaker. Der Angriff trage allerdings eher die Handschrift des Islamischen Staates IS, der bereits früher vor allem bei Schulen in den schiitischen Gebieten Kabuls zugeschlagen habe, schätzt Gutersohn.

Vor einem Jahr etwa war in der gleichen Region auch eine Geburtsklinik angegriffen worden. Bekannt hat sich bisher niemand dazu. «Es deutet aber vieles darauf hin, dass der IS oder andere Kräfte dahinterstecken, welche die neuen Friedensgespräche torpedieren wollen», so Gutersohn.

Taliban für dreitägige Waffenruhe

Die Taliban möchten nun trotz der laufenden Offensive zum Ende des Fastenmonats Ramadan einen einseitigen dreitägigen Waffenstillstand ausrufen. Solche Waffenruhen gab es in den letzten zwei Jahren bereits, die zum Teil mehr als drei Tage dauerten. Eine Antwort der Regierung in Kabul stand noch aus.

Die Taliban wie auch die Armee würden sich sicher an diese Waffenruhe halten, sagt Gutersohn. Ein Tag nach Ende der Waffenruhe hätten die Taliban dann jeweils einen grösseren Angriff auf Kabul oder eine andere Stadt verübt, um klar zu zeigen, dass wieder das alte Schema gelte.

Afghanistan-Konferenz in Istanbul geplant

Die weitere Entwicklung in Afghanistan sei angesichts der vielen Akteure schwierig abzuschätzen, sagt Gutersohn. Es hänge jetzt wohl von den Resultaten der in der Türkei geplanten Afghanistan-Konferenz ab. Auch die Taliban haben sich zur Teilnahme bereit erklärt.

Je stärker die Taliban auf dem Feld sind, desto stärker sind sie am Verhandlungstisch.
Autor: Thomas Gutersohn SRF-Südasien-Korrespondent

Je stärker die Taliban auf dem Feld seien, desto stärker könnten sie ihre Ideen und Ideologien am Verhandlungstisch durchsetzen, schätzt Gutersohn. Die Afghanistan-Friedenskonferenz hätte ursprünglich am 24. April in Istanbul beginnen sollen, war dann aber auf die Zeit nach dem Ende des Ramadan Mitte Mai verschoben worden.

Rendez-vous, 10.05.2021, 12.30 Uhr ; 

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