Am Sonntag, den 14. Dezember, eröffneten zwei islamistische Attentäter das Feuer am weltberühmten Bondi Beach in Sydney. Ihr Ziel: Jüdinnen und Juden, die am Strand das Chanukka-Fest feierten. Die Angreifer – ein Vater und sein Sohn – schossen in die Menge, töteten 15 Menschen und verletzten Dutzende.
Eine Woche später, am gestrigen Sonntag, hielt Australien einen nationalen Gedenktag für die Opfer ab. Die Flaggen im Land wehten auf halbmast. Die Stimmung war bedrückend.
Um 18:47 Uhr legten die Menschen eine Schweigeminute am Bondi Beach ein. Zu dem Zeitpunkt waren eine Woche zuvor die ersten Schüsse gefallen. Als Regierungschef Anthony Albanese die Bühne betrat, mischten sich Buhrufe unter den Beifall.
SRF-Korrespondent Urs Wälterlin spricht von einer «Mischung aus Trauer, Verzweiflung und Frustration», die sich Bahn gebrochen habe. «Kombiniert allerdings mit einer grossen Portion politischem Opportunismus.»
In den letzten Tagen hätten sich einige der umstrittensten Politiker des Landes und Aktivisten am Bondi Beach die Klinke in die Hand gegeben. Manche forderten einen Einwanderungsstopp für Muslime, andere richteten wütende Anklagen an die Regierung.
«In vielen Fällen war das auch Selbstdarstellung», sagt Wälterlin. «Die Solidarität mit den Opfern schien manchmal eher ein Lippenbekenntnis zu sein.»
Vorwürfe auch aus Israel
Auch die konservative Opposition übt mitunter scharfe Kritik an der Regierung. Im Mai erlitt sie eine vernichtende Wahlniederlage. In den Vorwürfen gegen Albanese schwinge auch die Absicht mit, ihn zu schwächen, schätzt der Korrespondent.
Auch aus Israel gab es Kritik an der australischen Regierung. Benjamin Netanjahu warf Albanese vor, mit seiner Anerkennung Palästinas «Öl ins antisemitische Feuer» gegossen zu haben.
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Bild 1 von 8. Ein kleiner Weihnachtsbaum steht im Mittelpunkt eines verlassenen Picknicks am Bondi Beach. (14.12.2025). Bildquelle: AP Photo/Mark Baker.
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Bild 2 von 8. Das Sunset Cinema im Bondi Pavilion, nachdem die Besucherinnen und Besucher evakuiert worden waren. (14.12.2025). Bildquelle: Keystone/EPA/JEREMY PIPER.
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Bild 3 von 8. Verletzte Personen wurden in umliegende Spitäler gefahren. (14.12.2025). Bildquelle: Keystone/AP Photo/Mark Baker.
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Bild 4 von 8. Die Fassungslosigkeit und Betroffenheit in der jüdischen Gemeinschaft in Australien ist gross. (14.12.2025). Bildquelle: ReutersAAP/Mick Tsikas.
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Bild 5 von 8. Ein Polizist und Passanten nach den Schüssen am Bondi Beach. (14.12.2025). Bildquelle: Keystone/ EPA/JEREMY PIPER.
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Bild 6 von 8. Sicherheitskräfte in der Nähe des Tatorts. (14.12.2025). Bildquelle: IMAGO/AAP.
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Bild 7 von 8. Eine Kerze mit der Menora am Bondi Beach. (15.12.2025). Bildquelle: Keystone/EPA/DEAN LEWINS .
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Bild 8 von 8. Der leere Bondi Beach am frühen Montagmorgen. (15.12.2025). Bildquelle: Keystone/EPA/DEAN LEWINS.
Klar ist: Seit Beginn des Kriegs in Gaza ist die Zahl antisemitischer Vorfälle und Gewaltakte in Australien deutlich angestiegen. Hat die Regierung zu wenig getan, um die jüdische Community zu schützen?
Bericht schlug Massnahmen vor
Für Wälterlin trifft der Vorwurf nur bedingt zu. Die Regierung hätte zwar vehementer auf den wachsenden Antisemitismus reagieren und ihn auch deutlicher verurteilen können.
Mit Jillian Segal habe die Regierung aber auch erstmals eine Antisemitismus-Sonderbeauftragte ernannt, sagt der Korrespondent. «Ihr Bericht mit Empfehlungen für den Kampf gegen Antisemitismus lag zum Zeitpunkt des Attentats auf Albaneses Tisch.»
Wir müssen alles dafür tun, damit Worte nicht in blutige Vergeltung münden.
Implementiert wurde in den vergangenen Monaten aber noch keine der vorgeschlagenen Massnahmen. Die Opposition nutze die Verzögerung nun, um Stimmung gegen die Labour-Regierung zu machen.
Der Premierminister des Bundesstaats New South Wales, in dem Sydney liegt, will Demonstrationen für mehrere Monate verbieten. «Auf pro-palästinensischen Demos werden unkontrollierbare Kräfte freigesetzt», sagte Chris Minns. «Wir müssen alles dafür tun, damit Worte nicht in blutige Vergeltung münden.»
Die Einschränkung demokratischer Rechte dürfte in Australien zu hitzigen Debatten führen, schliesst Wälterlin. Genauso wie die Frage, wo legitimer Protest aufhört und Antisemitismus beginnt.