Zum Inhalt springen

Antiterror-Razzien Deutsche «Reichsbürgerszene» wird immer grösser

  • Die Zahl der sogenannten Reichsbürger in Deutschland ist dieses Jahr stark angestiegen, sagte die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser in einem Gespräch mit der «Bild am Sonntag».
  • Der deutsche Verfassungsschutz zählt rund 23'000 Menschen in Deutschland zu dieser Szene. Etwa zehn Prozent davon gelten gemäss dem deutschen Verfassungsschutz als gewaltbereit.
  • Faeser hat eine Verschärfung des Waffenrechts angekündigt.

Die Zahl der sogenannten Reichsbürger ist in Deutschland seit Jahresbeginn um rund 9.5 Prozent gewachsen. Das sind rund 2000 Menschen mehr im Vergleich zum Vorjahr. In den Jahren 2018 und 2019 rechnete der Inlandsgeheimdienst dieser sehr heterogenen Szene jeweils etwa 19'000 Menschen zu.

Eine Art Reisepass mit der Aufschrift: Deutsches Reich, ein Fantasieausweis, Archiv 2016
Legende: Der Fantasie-Ausweis eines sogenannten Reichsbürgers. (Archivbild von 2016) Keystone/Patrick Seeger/dpa

Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte am vergangenen Mittwoch 25 Menschen festnehmen lassen, darunter auch frühere Offiziere. 22 der Festgenommenen wirft sie vor, Mitglied einer terroristischen Vereinigung zu sein, die das politische System in Deutschland stürzen wollte. Drei weitere Festgenommene gelten als Unterstützer.

Die SPD-Politikerin Faeser sagt in einem vorab veröffentlichten Bericht der Zeitung «Bild am Sonntag»: «Wir haben es nicht mit harmlosen Spinnern zu tun, sondern mit Terrorverdächtigen, die jetzt allesamt in U-Haft sitzen.»

Coronaproteste brachten Zulauf

Die 23 in Deutschland festgenommenen Beschuldigten sind seit Donnerstag in Untersuchungshaft. Die Bundesanwaltschaft sprach zudem von 27 weiteren Beschuldigten.

Dass die «Reichsbürger»-Szene in den vergangenen zwei Jahren so stark gewachsen ist, führen die Sicherheitsbehörden in erster Linie auf die Proteste gegen die staatlichen Massnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie zurück. Diese hätten eine «erhöhte Dynamik und Aktivität» zur Folge gehabt, hiess es bereits im Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2021.

Waffenrecht soll verschärft werden

239 Gewalttaten von «Reichsbürgern» seien im letzten Jahr registriert worden. Mehr als 1000 sogenannten Reichsbürgern seien ihre Waffengenehmigungen schon entzogen worden. Dafür, so Faeser laut Vorabbericht, würde der maximale Druck aller Behörden gebraucht. Die Regierung werde deshalb das Waffen- und Disziplinarrecht in Kürze weiter verschärfen.

So will das Bundesinnenministerium nach Angaben aus Ministeriumskreisen schnellere Verfahren gegen Bundesbeamte ermöglichen, um sie zurückstufen, entlassen oder ihnen das Ruhegehalt aberkennen zu können, falls man ihnen schwere Dienstvergehen nachweisen kann. Hintergrund sind die bisher teilweise jahrelangen Verfahren vor Verwaltungsgerichten, in denen Beschuldigten die Bezüge weiter gewährt werden müssen.

Unter den bei Razzien am Mittwoch Festgenommenen sind auch Beamte und Angestellte von deuschen Bundesdiensten oder -einrichtungen. Der Straftatbestand der Volksverhetzung soll künftig in die Liste der Gründe für die Beendigung des Beamtenverhältnisses in Deutschland aufgenommen werden, sodass eine rechtskräftige Verurteilung wegen Volksverhetzung nicht erst wie bisher bei einer Freiheitsstrafe von einem Jahr, sondern bereits bei einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten zum Verlust der Beamtenrechte führt.

Ablehnung der Bundesrepublik Deutschland

Die «Reichsbürger» erkennen die Bundesrepublik Deutschland als Staat nicht an. Sie behaupten, dass das Deutsche Reich (1871-1945) fortbestehe. Oft weigern sie sich, Steuern zu zahlen. Manche «Reichsbürger» erstellen eigene Fantasie-Ausweise.

SRF 4 News, 11.12.2022, 12:00 Uhr ; 

Meistgelesene Artikel