Es ist Morgen, kurz nach sieben Uhr. Und schon über dreissig Grad heiss. Die Mitarbeitenden des Turkana Basin Institute sind bereits an der Arbeit. Mit einem Hochdruckstichel entfernen die Präparatoren des Instituts Millionen Jahre altes Gestein von den Fossilien. «Er arbeitet an einem Schlangenwirbel aus dem Miozän», erklärt die Kuratorin der Sammlung, Christine Atabo.
Das Miozän ist eine Epoche der Erdgeschichte. Der Schlangenwirbel unter dem Mikroskop könnte somit mehr als zwanzig Millionen Jahre alt sein. Jeden Tag präparieren hier sechs Mitarbeitende des Instituts Knochen, die Tausende oder Millionen Jahre alt sind.
Spektakuläre Funde
Archäologinnen oder Paläontologen haben die Knochen von den Ausgrabungsstätten hierhergebracht. Im Institut wird alles aufbewahrt. Tausende Fundstücke liegen säuberlich sortiert in Kisten in den Gestellen.
Mitten im Raum steht ein Skelett, eine Kopie des bekanntesten Fundes hier. «Der Turkana-Boy ist ein Homo Erectus. Er wurde 1984 gefunden und ist rund 1.6 Millionen Jahre alt», erklärt Kuratorin Christine Atabo. Das Spezielle am Turkana Boy ist, dass sein Skelett fast komplett ist.
Wenn du gewisse dieser Fossilien in der Hand hast, dann spürst du richtig: Das ist die Stammesgeschichte der Menschen.
Originale Fossilien von Menschen sind im Tresor oder im Museum in Nairobi. Es sind oft spektakuläre Funde. Und belohnt wird in der Wissenschaft nur, wer zuerst publiziert. Darum dürfen im Institut keine Fotos von Originalfunden gemacht werden.
Doch gerade die menschlichen Fossilien begeistern die 30-jährige Kuratorin besonders. «Wenn du gewisse dieser Fossilien in der Hand hast, dann spürst du richtig: Das ist die Stammesgeschichte der Menschen», sagt die Kenianerin und lacht.
Dieses Gefühl kennt auch Archäologe Nick Taylor. Der Brite und sein Team vom Turkana West Archeological Project haben in Turkana die bis heute ältesten bekannten Steinwerkzeuge der Welt entdeckt. Sie sind 3.3 Millionen Jahre alt. Seit zehn Jahren forscht Taylor in Turkana.
Ein lebendiges Laboratorium
Diese Gegend sei mit ihren geologischen Voraussetzungen ideal für Forschung zur Wiege der Menschheit: «Fossilien bleiben hier gut erhalten, und sie werden gleichzeitig an die Oberfläche gebracht und damit zugänglich gemacht durch die Erosion», sagt Taylor. Turkana sei wie ein lebendiges Laboratorium.
Die Chancen, Antworten auf die grossen Fragen der Menschheitsgeschichte zu finden, stünden hier sehr gut, ist der Archäologe überzeugt. Und so hofft auch er auf weitere bahnbrechende Funde, um die für ihn persönlich derzeit brennendste Forschungsfrage zu klären: «Wie weit zurück geht Technologie? Und wie sehen diese ersten Werkzeuge der Menschen aus?» Denn schlussendlich machten Technologie und das Benutzen von Werkzeugen uns erst zu den Menschen, die wir heute sind.