Asylpakt - EU-Staaten einigen sich auf strengere Migrationspolitik
Schutzsuchende und Solidaritätsbeiträge verteilen, mehr und schneller abschieben: Die EU-Staaten erzielen weitreichende Einigungen in entscheidenden Fragen der Migrationspolitik. Ein Überblick, worauf sich die Mitgliedsländer bei einem Treffen der EU-Innenminister in Brüssel geeinigt haben.
Darum geht es: Die EU-Länder haben sich bei der Verteilung von Asylbewerbenden und den Beiträgen zum sogenannten Solidaritätspool geeinigt. Innerhalb der Europäischen Union sollen 21'000 Schutzsuchende umgesiedelt werden, um besonders unter Druck stehende EU-Staaten zu entlasten, wie die EU-Innenminister weiter festlegten. Zudem sollen weniger belastete EU-Länder im Rahmen des Solidaritätsmechanismus, der mit der europäischen Asylreform 2024 beschlossen wurde, 420 Millionen Euro bereitstellen.
Länder mit hohen Migrationszahlen
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Als Länder, die im kommenden Jahr wegen eines hohen Migrationsdrucks Anrecht auf Solidarität anderer EU-Staaten haben, stuft die EU-Kommission in ihrer Analyse Griechenland und Zypern sowie Spanien und Italien ein. Zu den EU-Staaten, die nach den neuen Regeln wahrscheinlich Migrantinnen und Migranten aus anderen Ländern aufnehmen oder andere Solidaritätsbeiträge leisten müssen, zählen Länder wie Schweden, Portugal, Ungarn, Rumänien und Luxemburg.
Strengere Regeln: Weiter wollen die EU-Staaten den Druck auf abgelehnte Asylbewerberinnen und -bewerber erhöhen und Abschiebungen effizienter abwickeln. Dafür sollen Menschen ohne Bleiberecht neue Pflichten erhalten und bei mangelnder Kooperation mit Leistungskürzungen rechnen müssen. Das teilten die Mitgliedsländer nach einer Einigung beim Treffen der europäischen Innenminister in Brüssel mit. Abgelehnte Asylbewerberinnen und Asylbewerber sollen etwa verpflichtet werden, aktiv an ihrer Rückführung mitzuwirken. Sollten sie nach Aufforderung nicht unverzüglich Dokumente zu ihrer Identifikation vorlegen, müssen sie mit Strafen rechnen. Zudem sollen sie für die Behörden erreichbar bleiben. Bei Verweigerung der Zusammenarbeit drohen Konsequenzen. Zudem sollen Rückführungszentren in Drittstaaten ausserhalb der EU demnach durch die Verordnung möglich sein.
EU-Korrespondent: «EU bereit, Tabus im Asylbereich zu brechen»
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«Europäische Asylzentren ausserhalb des Schengenraums: Was noch vor wenigen Jahren politisch kaum denkbar war, soll möglich werden. Wie viele Zentren tatsächlich auch gebaut werden, bleibt aber offen – denn Europa muss erst Länder finden, die solche Einrichtungen überhaupt betreiben wollen. Unabhängig davon ist der Entscheid aber ein deutliches Signal nach innen: Die Verschärfung des Asylsystems wird von der klaren Mehrheit der europäischen Regierungen gefordert. Um diesen Forderungen nachzukommen, ist die EU bereit, auch langjährige politische Tabus im Asylbereich zu brechen.»
Eine Kurzeinschätzung von EU-Korrespondent Andreas Reich
Gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen: Ein wichtiger und zuletzt unter den Mitgliedstaaten umstrittener Punkt ist die gegenseitige Anerkennung von Rückkehrentscheidungen. Künftig soll die Abweisung eines Asylantrags im gesamten Schengenraum gültig sein. So hätten Personen mit einem negativen Entscheid keinen Anreiz mehr, in einen anderen Staat des Schengenraums zu gehen. Die zuständigen Ministerinnen und Minister der EU einigten sich auf eine entsprechende Rückführungsrichtlinie. Als Mitglied von Schengen ist auch die Schweiz von der neuen Regelung betroffen.
Legende:
Striktere Regeln, mögliche Rückführungszentren und eine geklärte Verteilungsfrage: Die EU-Staaten erringen entscheidende Einigungen bei umstrittenen Fragen in der Migrationspolitik.
Reuters / Yves Herman / File Photo
Änderung momentan noch nicht verbindlich: Die gegenseitige Anerkennung soll jedoch auf Freiwilligkeit beruhen. Zwei Jahre nach dem Inkrafttreten will die Europäische Kommission die Funktionsweise bewerten und gegebenenfalls die Anerkennung für alle Staaten verbindlich machen, wie es weiter hiess. Die Einigung im Rat der EU, in welchem die jeweils zuständigen Ministerinnen und Minister der 27 Mitgliedstaaten sitzen, dient als Grundlage für Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament. Beide Institutionen müssen sich gemeinsam auf einen Rechtstext verständigen.
Auch Jans forderte freiwillige Anerkennung
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Im Oktober setzte sich Bundesrat Beat Jans für eine freiwillige Anerkennung ein, wie er damals in Luxemburg sagte. Er befürchtete, dass eine verbindliche Anerkennung die Ausschaffung von abgewiesenen Personen bremsen könnte. Jans nimmt als zuständiger Bundesrat am Rat der EU teil, wenn dieser über eine Revision des Schengener Übereinkommens berät. Der Justizminister kann die Position der Schweiz einbringen, ein Mitbestimmungsrecht hat er jedoch nicht.
Auch Deutschland und andere Länder wollten die Anerkennung der Entscheidungen anderer Staaten nicht verpflichtend machen. Sie befürchteten mehr Bürokratie durch mögliche Klagen und rechtliche Unsicherheiten. Die nun gefundene Einigung sieht zunächst eine gegenseitige Anerkennung auf freiwilliger Basis vor – allerdings mit der Option, zu einem späteren Zeitpunkt eine Anerkennungspflicht einzuführen.