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Atomkatastrophe in Fukushima Meilenstein oder Werbeaktion der japanischen Regierung?

Die Bergung von Brennstäben aus dem zerstörten Atomkraftwerk hat begonnen. Was das mit den Olympischen Spielen 2020 in Japan zu tun hat und was man darüber wissen muss.

Was geschieht momentan in Fukushima? Gut acht Jahre nach der Atomkatastrophe im japanischen Fukushima hat der Betreiber erstmals mit der Bergung von Brennstäben aus einem der zerstörten Unglücksreaktoren begonnen.

Grösste Atomkatastrophe seit Tschernobyl

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Die Reaktoren 1 bis 3 des Atomkraftwerks Fukushima Daichii I sind am 11. März 2011 in Folge eines Erdbebens und Tsunamis zerstört worden, es kam zu Kernschmelzen. Wegen der radioaktiven Strahlung mussten damals rund 160'000 Anwohner fliehen. Noch immer können rund 30'000 nicht zurück. Es war die schlimmste Atomkatastrophe seit Tschernobyl 1986.

Wie gehen die Bergungsarbeiten vor sich? Die Kühlboxen befinden sich über dem Reaktorbehälter im obersten Stockwerk des Reaktorgebäudes, wie der in Tokio lebende Journalist Martin Fritz gegenüber SRF erklärt. Dort können sich Menschen aber wegen der starken radioaktiven Strahlung nicht aufhalten. Deshalb musste man in den vergangenen anderthalb Jahren eine riesige Kuppel über diesen Reaktor bauen, und in dieser Kuppel bewegt sich ein Kran, der die Brennstäbe einen nach dem anderen rausholt. Das muss ferngesteuert geschehen, aus einem 500 Meter entfernten Kontrollzentrum.

Wie sieht der Zeitplan aus? Von heute an bis Juni will man sieben Brennstäbe rausholen. Bis März 2021 dann die übrigen 566 Brennstäbe. In den Kühlboxen der Reaktoren 1 und 2 liegen weitere 1000 Brennstäbe. Insgesamt könnte diese Bergung bis 2023 oder 2024 dauern, wie Fritz weiter erklärt.

Experten reden von einem Meilenstein, stimmt das? Eigentlich sollte diese heutige Bergung bereits 2014 beginnen, insofern sei sie als Meilenstein zu verstehen, sagt Fritz. Andererseits sei dies nur eine kleine Wegmarke auf dem Weg zum endgültigen Rückbau, der mindestens 38 Jahre dauern soll.

Warum wird der Rückbau so lange brauchen? Man muss den geschmolzenen Brennstoff aus den Reaktoren holen, erklärt Fritz. Dafür gebe es noch keine technische Lösung.

Premierminister Shinzo Abe besuchte die Stelle am Wochenende ganz ohne Schutzkleidung, Propaganda? In Alltagskleidung kann man bis auf etwa 40 Meter Luftlinie an die Reaktoren herankommen, erklärt Fritz. Das sei inzwischen auf 96 Prozent des Geländes möglich.

Welche Rolle spielen die Olympischen Sommerspiele 2020, die in Japan stattfinden? Abe hat bei der Vergabe der Spiele versprochen, dass das AKW unter Kontrolle sei – was viele Leute bezweifelt haben. Sie hätten sich sogar ein bisschen über den Premier lustig gemacht, so Fritz. Seitdem versuche dieser zu beweisen, dass es tatsächlich Fortschritte im AKW und in der Präfektur Fukushima gibt. Am Sonntag hat Abe neben dem AKW auch ein Sportzentrum besucht, das etwa 20 Kilometer südlich des AKWs liegt. Von dort soll der olympische Fackellauf beginnen. Laut Fritz ist das ein Signal an die Weltöffentlichkeit: Wir haben hier in Fukushima alles unter Kontrolle und hier können die Sportler sich unbesorgt bewegen.

Wie nimmt die japanische Bevölkerung diese Meldungen auf? Das Thema Fukushima kocht nur noch selten hoch. Und wenn, dann geht es um solche symbolischen Aktionen wie den Besuch des Premiers. Ansonsten geht laut Fritz alles seinen geregelten Gang: «Am liebsten möchte man mit diesem ganzen Thema Strahlung und Radioaktivität nichts mehr zu tun haben.»

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