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Anschläge in Sri Lanka: Regierung beschuldigt radikale Muslime
Aus Echo der Zeit vom 22.04.2019. Bild: Keystone
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Attacken in Sri Lanka «Die Anschläge passen eigentlich nicht zusammen»

Die Anschlagsserie in Sri Lanka auf Kirchen und Hotels hat weltweit Entsetzen ausgelöst. Sri Lankas Präsident hat dem Militär Vollmachten wie zu Kriegszeiten erteilt, um Verdächtige zu verhaften.

Die Regierung sieht eine einheimische radikal-islamische Gruppe namens NTJ hinter den Attacken. Doch viele Fragen bleiben offen, so SRF-Korrespondent Thomas Gutersohn.

SRF News: Was ist das genau für eine Gruppe?

Es ist eine Gruppe, über die nur wenig bekannt ist. Man weiss, dass sie die Scharia propagiert und letztes Jahr in Erscheinung getreten ist, als sie buddhistische Statuen zerstört hat. Aber diese Anschläge von Sonntag sind ganz anderer Natur. Es waren koordinierte Terrorattacken. Deswegen gehen die Behörden auch nicht davon aus, dass diese Gruppe allein gehandelt hat und suchen nach Verbindungen mit dem Ausland.

Welche Beweise hat man, dass es diese Terrorgruppe war? Bis jetzt hat sich niemand zur Tat bekannt.

Eigentlich keine Beweise. Man hat nur dieses Statement der Regierung, die sagt, dass diese Gruppe dahintersteht. Es gibt auch kein Bekennerschreiben von Organisationen, die vielleicht mitbeteiligt gewesen wären.

Gibt es auch Hinweise, was die Täter beabsichtigten mit den Angriffen auf Christen, aber auch auf Touristen?

Nicht wirklich. Im Moment ist ja noch nicht einmal klar, ob tatsächlich diese Gruppe hinter den Anschlägen stand. Oder ob da nicht vielleicht doch ein grösseres Netzwerk am Werk war.

Die beiden Anschläge passen auch nicht zusammen. Auf der einen Seite waren die Opfer sri-lankische Christen, also Einheimische. Auf der anderen Seite Besucher von Luxushotels, die aus allen möglichen Ländern kommen und alle möglichen Religionen haben.

Karte von den Anschlagszielen in Sri Lanka.
Legende: Koordinierter Terror: An diesen sechs Orten kam es quasi zeitgleich zu Detonationen. SRF

Warum geraten Muslime und Christen aneinander, die beide zu den Minderheiten gehören und mit dem bisherigen Konflikt kaum etwas zu tun hatten?

Das ist schleierhaft. Der Grundkonflikt in Sri Lanka herrschte zwischen den Tamilen und Singhalesen. Diese haben sich über zwei Jahrzehnte einen blutigen Bürgerkrieg geliefert. Die Christen sind in beiden Gruppen vertreten, die Muslime in keiner. Sie identifizieren sich weder als Tamilen noch als Singhalesen. Es sind die kleinsten Minderheiten im Land. Beide machen jeweils etwa 7 Prozent aus.

Sie hatten dieselben Probleme. Es gab oft Übergriffe radikaler buddhistischer Mönche oder Hinduisten auf Kirchen oder Moscheen. Insofern fühlten sich beide gleichermassen benachteiligt. Jetzt wird da ein Keil zwischen diese zwei Gruppen getrieben.

Das schadet der Regierung. Denn während dem die Opposition des früheren Machthabers Rajapaksa die buddhistische Bevölkerung hinter sich weiss, muss die aktuelle Regierung ihre Leute bei den Christen, bei den Tamilen, bei den Muslimen zusammensuchen. Nun wird es noch viel schwieriger, diese Minderheiten zusammenzuhalten.

Die Behörden besassen seit mehreren Tagen Hinweise, dass Anschläge geplant waren. Warum hat man diese Warnungen in den Wind geschlagen?

Es gab tatsächlich Hinweise, dass die Polizei Informationen über geplante Anschläge hatte und diese auch weitergeleitet hat. Dass nichts unternommen wurde, deutet für mich auf die Verworfenheit der Regierung hin.

Im Dezember wollte Präsident Sirisena noch sein Kabinett auflösen und den Premier Wickremesinghe absetzen. Das gelang ihm nicht. Die beiden mussten weiter miteinander verkehren, obwohl sie das Heu nicht auf derselben Bühne haben. Und so hat auch gestern der Premierminister gleich gesagt, dass er nichts von diesen Plänen gewusst hatte und insofern die Schuld in die Schuhe des Präsidenten schiebt. Denn dieser ist der Chef der Sicherheitsdienste und hätte die nötigen Schritte einleiten sollen.

Es kann sein, dass dieser Zwist zwischen den beiden Männern dazu geführt hat, dass nichts unternommen wurde – das wäre verheerend, wenn man nun das Ausmass der Katastrophe anschaut.

Das Gespräch führte Beat Soltermann.

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