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Aus Angst vor China Die USA wollen Lateinamerika nicht China überlassen

Chinas Aufstieg in Lateinamerika stört die USA. Denn für Trumps Regierung gilt: Ganz Amerika gehört den Amerikanern.

Die Vorgeschichte: Lange betrachteten die USA Lateinamerika als ihren Hinterhof. Und sie versuchten zu verhindern, dass sich andere Länder dort ausbreiten. Im 19. Jahrhundert lief diese Aussenpolitik unter der Bezeichnung «Monroe-Doktrin». «Amerika den Amerikanern!» – Auf diese Formel lässt sich die Monroe-Doktrin auch reduzieren.

Die These: «Mehrere Expertinnen und Experten sprechen heute von der ‹Monroe-Doktrin 2.0›», sagt Detlef Nolte, Lateinamerika-Experte am Giga-Institut in Hamburg. Die USA hätten Lateinamerika lange vernachlässigt, aber man schaue jetzt wieder genauer hin, wenn ein Konkurrent im eigenen Hinterhof auftauchte.

Die Beweise: Anzeichen dafür, dass Chinas Einfluss in Lateinamerika der Trump-Regierung missfällt, gibt es viele. Diese Woche berichtete das Wall Street Journal, dass die US-Regierung Druck auf Argentinien ausübe, weniger Geschäfte mit China abzuschliessen. Im September gab das Aussenministerium Visa-Einschränkungen bekannt. Sie betrafen lateinamerikanische Akteure, welche gemäss USA «vorsätzlich im Interesse der Kommunistischen Partei Chinas» handelten.

Arbeiter mit Schutzhelmen und Westen auf Baustelle vor Industriegebäude.
Legende: In Argentinien werden auch dank chinesischer Investitionen riesige Mengen Lithium gefördert. Keystone/AP/RODRIGO ABD

Chinas Präsenz: «Für viele lateinamerikanische Länder ist China mittlerweile der wichtigste Absatzmarkt oder Lieferant», so Lateinamerika-Experte Nolte. Sichtbar wird das in Handelszahlen und durch grosse Infrastrukturprojekte, wie zuletzt in Peru mit einem gigantischen, von China finanzierten Hafen. Der riesige Marktzugang, den China anbieten könne, mache das Land attraktiv – und schaffe Abhängigkeiten, so Nolte.

Zwiespältige Sicht vor Ort: «Lange Zeit sah man diese Entwicklung in Lateinamerika als positiv: China war eine Alternative zu den USA», sagt Nolte. Heute zeigten sich aber auch Schattenseiten: Oft seien Chinas Geschäftsinteressen nicht im Einklang mit dem Gemeinnutz. Schlechte Arbeitsbedingungen oder fehlender Umweltschutz seien ein Thema. Die Bilanz bleibe für viele Menschen in Lateinamerika ambivalent.

Grosse Unterschiede: Das Interesse an China als Partnerin ist je nach Land sehr unterschiedlich. «Das hängt sehr stark von den Handelsströmen ab», sagt Nolte. Für Mexiko, von wo 80 Prozent der Exporte in die USA gingen, sei China sicherlich keine Alternative. Weiter südlich, wo der US-Anteil geringer ist, sei Peking attraktiv – allerdings sei dort auch die EU ein interessanter Handelspartner.

Trumps Vorgehen: Es sei unklar, ob Trump ein stringentes aussenpolitisches Konzept habe, sagt Nolte. Vieles wirke «ad hoc und spontan»: mal Unterstützung für Verbündete, mal politischer Druck bei Migration oder Drogenbekämpfung – «ein grosser Masterplan ist dahinter nur schwer zu erkennen.» Klar sei, dass Sicherheitsfragen ein wichtiger Grund für die Besorgnis sei: «Wenn chinesische Unternehmen Hafenanlagen kaufen, könnte das im hypothetischen Konfliktfall gegen US-Interessen genutzt werden.»

Zwischen den Fronten: Viele lateinamerikanische Länder seien in der Zwickmühle, so Nolte. Die USA erhöhten Zölle und politischen Druck; China könne im Gegenzug den heimischen Marktzugang als Druckmittel verwenden. Viele lateinamerikanische Länder könnten sich mit keinem der beiden überwerfen, sagt Nolte. Eine zu enge Bindung mit einem der Grossmächte provoziere Gegendruck von der anderen.

Echo der Zeit, 22.10.2025, 18 Uhr ; 

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